© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/05 29. Juli / 05. August 2005

Pankraz,
P. Tamm und der Coup im Hafenspeicher

In Hamburg reift eine kleine Mutprobe für den von der CDU geführten Senat heran. Vergangenen Juni war ein Vertrag zwischen ihm und dem Verleger und Mäzen Peter Tamm unterzeichnet worden, wonach dieser der Freien und Hansestadt seine weltberühmte Marine- und Schiffahrtssammlung schenkt, die Stadt ihrerseits sich verpflichtet, den historischen Kaispeicher B als Museum für die Sammlung herzurichten. 30 Millionen wurden städtischerseits dafür zur Verfügung gestellt. Starken, auf political correctness bedachten Kräften in Politik und Medien paßte das nicht, der Senat wird von ihnen seitdem unter Druck gesetzt und muß nun beweisen, ob er zu seinem Vertrag steht, und zwar ohne Wenn und Aber.

Daß Tamms Schenkung der Stadt einen gewaltigen Prestige- und Besuchergewinn bescheren wird, wagen nicht einmal die verbissensten Kritiker anzuzweifeln. Seine Sammlung ist, strikt international ausgerichtet, die größte der Welt, und sie paßt zu Hamburg wie die Krone zum König. Eine Schiffahrtsbibliothek aus über hunderttausend Bänden gehört dazu, unzählige nautische Instrumente, Urkunden und Schiffstagebücher, darunter z.B. 47 Originalbriefe des legendären britischen Admirals Nelson, 500.000 Schiffsbriefmarken, über eine Million Fotografien, alte originale Schiffskanonen und anderes maritimes Kriegsgerät, Flaggen, Orden, Admiralsstäbe und weitere Ehren- und Rangabzeichen.

Eine pièce de résistance von überwältigender Vielfalt werden die Vitrinen mit den 27.000 Schiffsmodellen aller Größen und Klassen bilden, gefertigt unter anderem aus Bernstein oder Elfenbein, Silber oder Knochen: griechische Trieren und Wikingerboote, Kriegsschiffe und Handelsschiffe aller Zeiten und Nationen, Fischkutter, Schlachtkreuzer, Torpedoboote, primitive Maori-Ausleger und moderne Taucherkugeln.

An den Wänden werden an die 5.000 Gemälde und Graphiken mit Schiffahrtsmotiven zu bewundern sein, holländische Bilder aus dem sechzehnten Jahrhundert ebenso wie Produktionen der bekannten deutschen Marinemaler Willy Stöwer und Adolf Bock aus dem zwanzigsten. Ganz und gar einzigartig schließlich die über 30.000 originalen Schiffs-Konstruktionspläne sowie Orientierungspläne für die fertigen Ozeanriesen.

"Internationales Schiffahrts- und Marinemuseum Hamburg" soll der geadelte Speicher in der originellen alten Hafencity heißen, deren unbestreitbarer Orientierungspunkt er automatisch werden würde. Interessierte Zeitgenossen fragen sich verzweifelt, was man denn gegen ein so weltoffenes, ungeheuer hanseatisches Unternehmen haben kann. Nie waren doch dreißig Millionen besser angelegt als hier.

Aber da ist eben der Spender, Peter Tamm, dem das herrschende linke Kultur-Establishment mißtraut und den es gern weghaben möchte, um seine Sammlung so schnell wie möglich in eine politisch korrekte zweite "Wehrmachtsausstellung" à la Reemtsma zu verwandeln. Tamm hat sich bei seiner Schenkung ausbedungen, daß das künftige Museum für die nächsten 99 Jahre von einer von ihm ins Leben gerufenen Stiftung geleitet werde, deren Statuten keinen Raum für politische Manipulationen bei den Ausstellungsarrangements und den Beschriftungen der Ausstellugsstücke lassen. Der Senat war damit einverstanden, und genau das ärgert die Polit-Aufseher und selbsternannten Volkspädagogen.

In einer extra zum Vertragsabschluß herausgegebenen Broschüre der Hamburger Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit dem dümmlichen Titel "Tamm Tamm" wird der Mäzen in geradezu obszöner Weise mit allen möglichen Verdächtigungen überzogen. Sein Kriegsdienst als sechzehnjähriger Leichtmatrose 1944 wird ihm ebenso angekreidet wie daß er einmal Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG gewesen ist. Als "Beweis" seiner Unfähigkeit, ein Marinemuseum aufzubauen, wird ihm angekreidet, daß in einem seiner Verlage ein Buch über deutsche Kampfschwimmer und Minensucher im Zweiten Weltkrieg erschienen ist.

Dieselbe PC-Posaune bläst die SPD-eigene Frankfurter Rundschau. "Zwischen den Vorstellungen des Schiffs- und Waffennarrs Tamm und einem modernen, der Kulturwissenschaft verpflichteten Museum müssen womöglich noch manche Brücken gebaut werden", schreibt sie hämisch, um fortzufahren: "Nun muß einer, der wie Tamm etwa Bilder des einst reichsamtlichen Schlachtenmalers und Propagandisten Adolf Bock (1890-1968) sammelt, nicht automatisch selbst ein Deutsch-Nationaler oder gar ein Nazi sein. Doch keimt eben schnell ein solcher Verdacht auf, fehlt es an einordnenden didaktischen Schritten oder auch nur an distanzierenden Erklärungen."

Die Tendenz ist überdeutlich. "Didaktisch einordnen". "Distanzierende Erklärungen". Und die Drohung wird gleich mitgeliefert: Wenn du nicht schleunigst didaktisch einordnest bzw. dich von deiner eigenen Ausstellung distanzierst, wirst du als Nazi denunziert. So läuft das bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht die Darstellung der Sachen selbst, sondern die ideologische Soße, die man darübergießt, ist Wissenschaft, "Kulturwissenschaft". Und wer das nicht glaubt, wird verfemt. Ekelhaft!

Übrigens gelten die Drohungen weniger Peter Tamm selbst (der sich wohl nicht so leicht unter Druck setzen läßt) als vielmehr den Hamburger CDU-Senatoren. Die Aufseher wissen aus Erfahrung, wie leicht sich heute hohe CDU-Politiker in Berlin und anderswo ideologisch ins Bockshorn jagen lassen, wie viele Gummilöwen da unterwegs sind, die sogar abgeschlossene Verträge aus Angstgründen platzen lassen.

Der Hamburger Senat erhält jetzt, im Vorfeld von Bundestagswahlen, Gelegenheit, durch entschiedenes Engagement für das Tamm-Museum in seiner vertraglich verabredeten Form Bürgerstolz vor PC-Aufsehern zu beweisen. Es ist, wie gesagt, eine kleine Mutprobe.


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