© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/05 29. Juli / 05. August 2005

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Rucksackverbot
Karl Heinzen

Der Absturz eines Doppeldekkers auf dem "Platz der Republik" genannten Rasengelände vor dem Berliner Reichstagsgebäude läßt sich nicht ohne weiteres in eine Reihe mit den Anschlägen von New York, Madrid oder London stellen. Auch eine terroristische Absicht vermag man dem Todesflieger kaum zu attestieren.

Daß dieser Vorfall dennoch ein so breites Echo in den Medien gefunden hat, dürfte zum einen auf den latenten Herzenswunsch vieler deutscher Journalisten zurückzuführen sein, endlich einmal aus erster Hand einfühlsam und ideenreich auch über Großschadensereignisse berichten zu dürfen. Bislang waren sie nämlich im wesentlichen gezwungen, bei derartigen Anlässen aus ausländischen Medien so geschickt abzuschreiben, daß es wir eine eigene Recherche erscheinen mochte.

Zum anderen ereignete sich der Absturz an einem relativ prominenten Ort. So bot er auch manchen Bundespolitikern, die in ihm gar eine Gefährdung ihrer Arbeitsstätte erkennen mochten, einen willkommenen Anlaß, sich mit ihren Einfällen zur Verbesserung der Inneren Sicherheit zu Wort zu melden. Insbesondere Repräsentanten der Union ließen ihrer Phantasie freien Lauf. Die Vorschläge von Günther Beckstein und Jörg Schönbohm, Überflugverbote oder Luftraumsperrungen über sensiblen Arealen zu verhängen, offenbaren jedoch, daß man auch im zukünftigen Regierungslager noch zögert, mit allen Tabus auf einmal zu brechen. Die Attentäter von New York etwa hätten sich von ihrem Vorhaben schwerlich durch eine behördliche Anweisung, nicht in der Nähe des World Trade Center zu fliegen, abbringen lassen. Konsequenterweise müßte man also den Luftraum generell für alle Flüge, die nicht zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben erforderlich sind, sperren. Selbst für Segelflieger oder Modellflugzeuge dürfte es keine Ausnahme geben.

Gefahren drohen aber nicht nur aus der Luft, sondern auch zu Land. Jedes Fahrzeug kann heute, wie man den Meldungen aus dem Irak Tag für Tag entnehmen kann, zur Bombe umfunktioniert werden. Es ist daher legitim, darüber nachzudenken, inwieweit sich der Personen- und Güterverkehr auf der Straße, aber auch auf der Schiene noch mit unseren Sicherheitsinteressen vereinbaren läßt. Risiken gehen darüber hinaus auch von Fußgängern aus, zumal wenn sie mit irgendwelchen Behältnissen beladen sind, in denen Sprengstoff transportiert werden könnte. Hier wäre eine Ausgangssperre sicherlich die Ultima ratio. Zumindest ein Rucksack- und Einkaufstaschenverbot sollte aber in Betracht gezogen werden.


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