© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/05 29. Juli / 05. August 2005

Abgrund, wohin man auch schaut
Glaubwürdiger Film: "Allein"
Siegfried Übach

Das beklemmende Gefühl der Einsamkeit und die daraus resultierende Flucht in die Welt der Süchte behandelt eine von der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen geförderte Co-Produktion des WDR. "Allein" heißt fast programmatisch das Spielfilmdebüt von Regisseur Thomas Durchschlag. 1974 in Oberhausen geboren, wuchs Durchschlag in Mühlheim an der Ruhr auf, studierte an der Universität Essen und der Kunsthochschule für Medien in Köln. Bei soviel örtlicher Verwurzelung liegt es nahe, daß er seine Auseinandersetzung mit der großstädtischen Seelenpein im Ruhrgebiet spielen läßt, zwischen tristen Einkaufszonen, pulsierenden Verkehrsadern und Abraumhalden.

Im Mittelpunkt steht die Studentin Maria (Lavinia Wilson), die ihrem Gefühl von Verlorenheit durch wahl- und bedingungsloses Streben nach Nähe sowie durch diverse Exzesse zu entkommen versucht. Tabletten und Alkohol werden oft maßlos konsumiert, ständige One-Night-Stands und eine Sexbeziehung zum älteren Wolfgang (Richy Müller) lassen sie innerlich unbefriedigt, führen sie gar an den Rand der Selbstzerstörung.

In dieser fast hoffnungslosen Situation lernt sie den schüchternen Studenten Jan (Maximilian Brückner) kennen, der sich für sie interessiert, und zarte Liebesbande zwischen den beiden entstehen. Das neue Glück wird allerdings dadurch beeinträchtigt, daß Marias Vertrauen in die neue Partnerschaft gering ist und sie ihre instabile Lebensweise vor Jan zu verbergen versucht. Von Rückfällen begleitet, offenbart sie sich erst spät ihrem verwirrten Freund.

Das aufwendige Casting hat sich ausgezahlt, denn mit Lavinia Wilson in der Hauptrolle wurde eine junge Schauspielerin gefunden, die das Geschehen emotional trägt. Gelegentlich ein wenig zu expressiv und zu schnell in den Stimmungsschwankungen, versteht es Wilson doch stets gekonnt, die Kurve zu nehmen, Akzente zu verdeutlichen und dabei ihrer Figur die Glaubwürdigkeit zu erhalten. Ihr psychologisches Spiel vermittelt deutlich den schmalen Grad, auf dem Maria balanciert, den Abgrund zu beiden Seiten.

Bereits beim ersten Rendezvous mit Jan werden beinahe schizoide Züge offenbar. Aus der braven Studentin, die sie den Tag über abgegeben hat, wird in ihrer Wohnung binnen Sekunden ein triebhafte Furie. Als Jan verstört auf den sexuellen Ausbruch des Mädchens reagiert, fährt Maria umgehend ihr Erscheinungsbild zurück und setzt sich, erschrocken über sich selber, wieder die Maske der Harmlosigkeit auf. Die Kamera zeigt das Geschehen in reduktiven Szenen, die sich ganz auf das Minenspiel der Figuren konzentrieren.

Heraus kam ein streckenweise zwar etwas zu langatmig geratener Film, der sich seiner berührenden Thematik aber mit viel Ernsthaftigkeit angenommen hat.


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