© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Keine Wunder erwarten
Weltjugendtag in Köln: Papst Benedikt XVI. besucht Deutschland
Werner Olles

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Vom 16. bis 21. August werden in der zweitausend Jahre alten Domstadt Köln rund eine halbe Million jugendliche Pilger erwartet, die auf Einladung des verstorbenen Johannes Paul II. dort den XX. Weltjugendtag feiern wollen. Nach seiner Ernennung zum neuen Papst erneuerte Benedikt XVI. die Einladung. Mit ihm wird nun erstmals seit über fünfhundert Jahren wieder ein deutscher Papst deutschen Boden betreten. Allein diese Tatsache wird für Schlagzeilen sorgen und gleichzeitig ein Signal setzen, daß die Neuevangelisierung, die vom 1. Weltjugendtag 1986 in Rom ausging, Früchte getragen hat.

Ein paar zu hoch geschraubte Erwartungen mußte man inzwischen zurücknehmen, so wird die Zahl von einer Million Teilnehmern wohl nicht erreicht werden. In der philippinischen Hauptstadt Manila kamen 1995 über vier Millionen Gläubige zur Abschlußmesse, sie geriet zur größten Menschenansammlung aller Zeiten. Doch selbst wenn es in Köln "nur" zwei- oder dreihunderttausend sein sollten, wäre dies bereits eine Sensation. "Wir wollen Jesus sehen" (Joh 12,21) lautete das Motto des letzten Weltjugendtages 2004 in Rom. "Wir sind gekommen, um Ihn anzubeten" (Mt 2,2) heißt es diesmal. Der Satz der drei Weisen aus dem Morgenland nimmt Bezug auf die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die im Kölner Dom verehrt werden.

Ob das Ganze - unter den wachsamen Augen von 12.000 Sicherheitskräften - zum frömmelnden, katholisierenden Groß-Event oder zu einer echten Einkehr zur Umkehr werden wird, kann man noch nicht beantworten. Skepsis ist jedoch angebracht angesichts einer typisch zeitgemäßen Erwartungshaltung vieler Teilnehmer, die sich in Sprüchen wie "Benedikt - mach' uns für Jesus fit!" reichlich naiv ausdrückt. Immerhin dürfen die katholischen Gläubigen unter den jungen Menschen aus über 120 Ländern auf einen vollständigen Ablaß ihrer Sünden hoffen, wenn sie die Sakramente der Beichte und der Kommunion empfangen, doch auch allen anderen Gläubigen wird zumindest ein Teil-Ablaß zugestanden.

In Köln mit dabei sind unter anderen der Seher Ivan aus Medjugorje, zahlreiche prominente Musiker, diverse Pop-Gruppen und Künstler sowie der australische Glaubensheiler Alan Ames, bei dessen Auftritten schon mal Hunderte Zuhörer einfach umfallen, aber auch einige tausend Traditionalisten.

Für die sich "Juventutem" nennende Gruppe traditionsorientierter Jugendlicher wird mit offizieller römischer Erlaubnis die lateinische Messe zelebriert werden. Unterstützt von sieben Bischöfen, darunter dem Salzburger Erzbischof Georg Eder und Bischof Wolfgang Haas aus Vaduz in Liechtenstein, werden sie während des gesamten Weltjugendtages von dem brasilianischen Bischof Rifan begleitet. Er steht der Apostolischen Administration von Sao Paulo Batista Maria Vienney im Bundesstaat Rio de Janeiro vor, zu der etwa 30.000 Gläubige und dreißig Priester zählen, die ausschließlich die überlieferte Liturgie zelebrieren.

Entgegen der weltweiten Krise und katastrophalen Entwicklung der katholischen Kirche blüht und gedeiht dieses kleine Personalbistum. Die Sonntagsmessen sind zum Bersten voll, und Kandidaten für das Priesteramt müssen inzwischen sogar abgewiesen werden, weil zu viele junge Männer Priester werden wollen.

In den säkularisierten westlichen Wohlstandsgesellschaften kann man davon nur noch träumen, denn die Kirchen- und Glaubenskrise, die wir hier erleben, ist längst zur Grundmelodie eines alles relativierenden Modernismus und unverbindlichen Religionsgefühls geworden. Auch der ehemals als "Panzerkardinal" bezeichnete Benedikt XVI., der beim Konklave mit überwältigender Mehrheit der versammelten Kardinäle zum neuen Papst gewählt wurde, wird diesen gordischen Knoten nicht zerschlagen können.

Dennoch wird sein Erscheinen gewiß der Höhepunkt des Kölner Weltjugendtages sein. Anders als sein Vorgänger, der mit seinen modernistischen Auftritten sehr schnell die Herzen der jungen Leute gewann, nimmt der durchgeistigte, theologisch und philosophisch hochgebildete und mit einem umfassenden Wissen ausgestattete Benedikt XVI. zur derzeitigen Entwicklung der Kirche eher eine skeptische, wenngleich auch dialektische Position ein.

Einigen revolutionären Forderungen der Modernisten wie Frauenordination, Abendmahlgemeinschaft mit den Protestanten, Aufhebung des Zölibats, Homo-Ehe etc. dürfte er eine klare Absage erteilen. Die Fortsetzung der ökumenischen Bestrebungen und des interreligiösen Dialogs, die sich letztlich als Illusionen erweisen werden, gehört jedoch genauso zu seinem Programm wie die Feier des 40jährigen Jubiläums des II. Vatikanums, dessen Aussagen sich wie ein roter Faden durch die Krisengeschichte der römisch-katholischen Kirche ziehen.

Es wird sich also in Köln nichts ereignen, was das gesamte Ausmaß der Zerstörungen innerhalb der Kirche, die Ratzinger in seiner Kardinalszeit als "Greuel" und "Verwüstung" beschrieb, rückgängig macht. Ein "Zurück" zur vorkonziliaren Zeit gibt es auch mit Benedikt XVI. nicht. Die Revolution, die vor vierzig Jahren von "oben" kam, wird - allerdings in deutlich abgemilderter Form - weitergehen.


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