© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

PRO&CONTRA
Embryonale Stammzellenforschung liberalisieren?
Michael K. Fischer / Alexandra Maria Linder

Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen legte an den Tag: Die Mehrheit der Bundesbürger steht für eine Liberalisierung der Forschung an embryonalen Stammzellen in Deutschland. 40,6 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Lockerung der gesetzlichen Regelungen aus und 28,3 Prozent waren dagegen. Also eine satte Mehrheit, die gegen den Strom schwimmt: gegen den Strom der Politik, die mit ihrer Entscheidungsträgheit vielen die Hoffnungen nimmt.

Die medizinischen Hoffnungen auf große Fortschritte bei der Behandlung heute unheilbarer Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, Parkinson, Diabetes oder Multipler Sklerose. Sowie die ökonomischen Hoffnungen, die sich auf den Technologie-Standort Deutschland richten. Zwar ist das Wissen über embryonale Stammzellen bis heute noch recht spärlich, und die Hoffnungen könnten sich vielleicht nicht alle erfüllen. Sich aber von vornherein von der weltweiten Forschung abzukoppeln, ist fahrlässig. Deutschland dümpelt seit Jahren dahin.

Die Forschung hat keinen leichten Stand, spielt oft mit dem Schritt, ins Ausland abzuwandern, und freut sich, daß das Robert Koch-Institut dieser Tage im Zuge des Stammzellgesetzes für Forschungsarbeiten mit humanen embryonalen Stammzellen die zehnte Genehmigung erteilte. Derweil geht die kalifornische und asiatische Konkurrenz in großen Schritten voran, und die bundesdeutschen Bedenkenträger von heute können schon mal mit dem Gedanken spielen, was zu tun ist, wenn das jetzt so umstrittene Verfahren irgendeinen spektakulären Erfolg erzielt.

Schauen wir in die Schweiz. Dort sagten im November 66,4 Prozent der Schweizer Ja zur Verwendung von Stammzellen aus überzähligen Embryonen aus der künstlichen Befruchtung.

Auch Berlin sollte die Herausforderung annehmen! Fortschritt ist nicht aufzuhalten!

 

Michael K. Fischer ist freier Journalist und lebt in der Schweiz.

 

 

Sie werden künstlich gezeugt, tiefgekühlt, aufgetaut, eingepflanzt, "verworfen", "zerstört": menschliche Embryonen. Jetzt soll mit ihnen auch in Deutschland geforscht werden, so fordern "humane" Politiker, vorgeblich an all die unheilbar Kranken denkend, die durch eine solche Forschung garantiert irgendwann einmal geheilt werden können.

Diese Forderung darf nicht verwundern. Denn von dem Moment an, als der kleinste und hilfloseste aller Menschen durch Abtreibung getötet werden durfte, gab es tatsächlich kein Argument mehr, warum man ihn dann nicht noch "sinnvoll" einsetzen, sprich zur Forschung verwenden sollte. Die Freigabe der Abtreibung war der entscheidende Dammbruch für den willkürlichen Umgang mit Menschen.

Die Frage, die sich hier stellt und für eine saubere und dauerhafte Entscheidung stellen muß, ist also nicht allein die nach legaler Forschung an embryonalen Stammzellen, sondern vielmehr eine ganz grundsätzliche: Ist die Würde des Menschen unantastbar? Dann müssen alle Formen der "verbrauchenden" Menschenforschung oder Menschentötung wie Abtreibung oder Euthanasie schlicht verboten werden. Dann darf nicht an dem Grundgesetzartikel heruminterpretiert werden nach dem Motto: Was ist überhaupt Würde? Wann ist ein Mensch denn ein Mensch? Embryonen werden nicht "verbraucht" oder "verworfen", sondern getötet. Euphemismen mögen die Öffentlichkeit täuschen und das Gewissen beruhigen, ändern aber nichts an dieser Tatsache. Jeder, der diese Forschung befürwortet, muß wissen, daß er damit den Menschen weiter für unmenschliche Zeitgeistströmungen, finanzielle Interessen und Forscherwahn freigibt.

Natürlich möchte jeder unheilbare Krankheiten geheilt wissen und alle möglichen Chancen dafür nutzen - aber nicht um den Preis unzähliger anderer Menschen, die dafür getötet werden müßten.

 

Alexandra Maria Linder M.A. ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für alle (ALfA; www.alfa-ev.de).


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