© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/05 12. August 2005

Abgesahnt
Wirtschaftseinmaleins: Wie Jürgen Schrempp trotz Verzichts auf eine Abfindung an seinem eigenen Rücktritt verdient
Richard Stoltz

Gute Rücktritte wollen gelernt ein. Was aber ist ein guter Rücktritt? In alten Zeiten galt: Ein guter Rücktritt ist ein Rücktritt in Würde. Später setzte sich die Anschauung durch: Ein guter Rücktritt ist, Würde hin oder her, einer mit einer hohen Abfindung. Im Falle des kürzlich zurückgetretenen Daimler/Chrysler-Vorstands Jürgen Schrempp wird jetzt eine neue, total zeitgemäße Definition fällig, nämlich: Ein guter Rücktritt ist ein "würdiger" Rücktritt, der sich selbst finanziert.

Schrempp hat seinem Unternehmen bekanntlich kolossal geschadet, er minderte dessen Aktienwert um volle fünfzig Milliarden. Aber als er zurücktrat, begehrte er weder Abfindung noch Danksagung, er akzeptierte vielmehr klaglos die Konsequenzen seiner verfehlten Geschäftspolitik, er "übernahm die Verantwortung", und mancher sagte sich mit Respekt: "Donnerwetter, ein Rücktritt in Würde, ganz im alten Stil."

Nun aber kommt heraus, daß Schrempp mit seinem Rücktritt ein Millionenvermögen verdienen wird. Durch ein einst von ihm selbst eingeführtes (stets sehr umstrittenes) Aktienoptionsprogramm für Manager bleibt er prominenter Nutznießer von Aktienwertsteigerungen bei Daimler/Chrysler. Und da die Firmenaktien, in der Hoffnung auf endliche Besserung, just wegen Schrempps Rücktritt rasant in die Höhe geschnellt sind, verdient dieser nun üppig an seinem eigenen geschäftlichen Untergang.

Ein Experte meinte im Berliner Tagesspiegel: "Bisher waren Schrempps Optionen wertlos, jetzt aber werden sie ihm ein Vermögen von astronomischer Höhe einbringen." Chapeau! So läßt sich leicht auf Abfindungen verzichten. Auf die Rückkehr von Würde freilich dürfen wir weiter warten.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen