© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/05 26. August 2005

Leuchtreklame sucht Aufschrift
Hier könnte Ihr Name stehen: US-Schriftsteller versteigern Gastauftritte in ihren nächsten Romanen
Silke Lührmann

Wen überfällt nicht ab und an das beklemmende Gefühl, in der eigenen Lebensgeschichte, geschweige denn der Zeitläufte allenfalls eine Komparsenrolle zu spielen? Einen Hauch von Unsterblichkeit gibt es demnächst im virtuellen Auktionshaus eBay zu erwerben. Vom 1. bis 25. September versteigern sechzehn US-Autoren einen Starauftritt in ihrem jeweils nächsten Roman. Der gesamte Erlös soll der Bürgerrechtsorganisation First Amendment Project zugute kommen, die sich für die Verteidigung der Redefreiheit einsetzt.

Die Gewinner der Auktion können in einer "seltsamen bebilderten Geschichte" Fischen auf Überlandreise begegnen, ihre Namen auf einem Grabstein oder der Leuchtreklame eines "Soda-Shops, Restaurants, Cafés, Korsettherstellers oder anderen Unternehmens" verewigen oder dem Helden von Lemony Snickets beliebter Kinderbuchserie eine Äußerung in den Mund legen. Die Versteigerung einer ähnlichen Werbefläche, nämlich des Namens eines Kreuzfahrtschiffes in Neil Gaimans "Anansi Boys", brachte jüngst 3.500 Dollar ein.

Unbesonnen sollte man sich auf ein solches Abenteuer jedoch nicht einlassen. Schon A. A. Milnes Sohn Christopher Robin, dessen Vater ihm als Spielgefährten von Pu dem Bär ein doch recht liebevolles literarisches Denkmal setzte, empfand den Ruhm seines Alter ego zeitlebens als belastend.

Aktuell verspricht Thrillerautor John Grisham zwar, die Figur, die nach dem erfolgreichen Bieter benannt wird, "in einem guten Licht" zu porträtieren. Peter Straub dagegen warnt, bei ihm könne sie "einen moralisch zweifelhaften Charakter" haben, und Horror-Kollege Stephen King schwelgt geradezu in den gräßlichen Szenarien, die seiner Romanfigur bevorstehen: Sein Werk handle von Zombies, und er suche eine Bieterin, die darin "sterben will".

Aber Achtung: Eine Frau, die sich (vielleicht aus dem beklemmenden Gefühl heraus, im eigenen Leben mit einer unspektakulären Nebenrolle abgespeist worden zu sein) bei einer Internet-Auktion den Part des Opfers in einem Zombiethriller erkauft - das klingt allzusehr nach der Handlung eines Stephen-King-Romans, und wer sich in dem Universum des Gruselmeisters ein wenig auskennt, weiß, wie es jeder Leichtsinnigen ergehen muß, die einen solchen Pakt schlösse ...


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