© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/05 02. September 2005

T-Shirts gegen den Kommunismus
Tschechei: Renaissance der orthodoxen Kommunisten / Künstler warnen vor Nostalgie und den Gefahren der KP-Ideologie
Ekkehard Schultz

In der Tschechei haben nach den demokratischen Umbrüchen von 1989/90 und der Auflösung des "Kunststaates" Tschechoslowakei 1992/93 mehrere Nachfolgeparteien das Erbe der ehemaligen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSC) angetreten. Doch nur die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) mittlerweile geschafft, zur zweitstärksten Partei des Landes aufzusteigen - hinter der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Staatspräsident Václav Klaus .

Bei der Europawahl im Juni 2004 gelang es ihr, 20,3 Prozent der Stimmen zu erzielen und damit die regierenden Sozialdemokraten (CSSD/8,8 Prozent) von Premier Jirí Paroubek klar zu überflügeln. Ihre Wähler rekrutierte die KSCM zunächst zum Großteil aus Ex-Parteikadern und Beamten, inzwischen aber auch zunehmend aus Verlierern des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels der letzten 15 Jahre, wie etwa den Beziehern von Arbeitslosenhilfe und Kleinrenten. Jedoch zählen auch junge Leute und ökonomisch Bessergestellte, die Kritik an der von Klaus propagierten Ordnung des "reinen Marktliberalismus" und des damit ihrer Meinung nach verbundenen "Ausverkauf des Landes" zum Ausdruck bringen wollen, zu ihrem potentiellen Reservoir.

Dabei ist die KSCM eine der wenigen kommunistischen Parteien Mittel- und Osteuropas, die sich keiner grundlegenden inneren Reform unterzogen haben. Während in anderen neuen EU-Ländern der Name Kommunistische Partei meist durch den Ausdruck "Demokratische Linke" oder "Sozialistische Partei" ersetzt wurde, hielt die KSCM unter ihrem 58jährigen Chef Miroslav Grebenícek bewußt an ihrem Namen fest. Sie bekennt sich klar zu wesentlichen Traditionen der KP-Vergangenheit.

Im Januar dieses Jahres hatten tschechische Senatoren von bürgerlichen Parteien damit gedroht, ein Gesetz durchzusetzen, das Parteien von der Wahl ausschließt, welche die Bezeichnung "kommunistisch" im Parteinamen führen. Auch ein generelles Verbot der kommunistischen Parteien schlossen die beteiligten Politiker nicht aus. Da unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ein solcher Schritt nach tschechischer und EU-Gesetzesvorlage äußerst problematisch ist, stieß der Vorschlag auch in CSSD-Kreisen auf Ablehnung. Zudem liebäugeln manche CSSD-Genossen - angesichts der knappen Regierungsmehrheit - mit einer Tolerierung durch die KSCM.

Eine andere Form des Protestes gegen Geschichtsverklärung und die Gefahren, die aus dem Erstarken der KSCM resultieren können, hat seit Mai dieses Jahres eine Initiative von Studenten und Absolventen aus dem künstlerischen Bereich gewählt. Mit Unterstützung der liberalen Intellektuellenzeitung Respekt forderten Libor Klecek, Michal Gregorini, Ondrej Matyas und David Pus angehende und bereits beruflich tätige Graphiker und Designer auf, "T-Shirts gegen den Kommunismus" zu entwerfen. Die Motive sollen nicht nur auf die Gefahren der KP-Ideologie aufmerksam machen, sondern auch "Schein" und "Sein" des Kommunismus in Bezug setzen.

Das Echo auf den Aufruf war groß: 358 Entwürfe von 158 Künstlern wurden in den ersten Wochen eingereicht. Am 27. Juni konnten zahlreiche T-Shirts bereits der Öffentlichkeit in Prag präsentiert werden.

Die Motive reichen von auf den ersten Blick appetitlich erscheinenden roten Kirschen, die sich jedoch bei näherer Betrachtung als blutverschmierte Sterne mit Stacheldraht entpuppen, über rote Sterne, die an einer Seite ausbluten, rote Sterne mit Totenkopf, eine Europafahne mit rotem Stern, welche auf die Gefahren für die Demokratie in Tschechien aufmerksam macht, bis zu verschiedenen Verknüpfungen von rotem Stern und Hakenkreuz als Symbole für totalitäre Regime, die deren Wahlverwandtschaft versinnbildlichen sollen. Seit einigen Wochen können die antikommunistischen T-Shirts in Prager Läden der Hauptstadt Prag oder über das Internet ( www.dekomunizace.cz ) erworben werden. Unter dieser Adresse sind auch alle 358 Entwürfe einzusehen.

Daß die Kampagne der Künstler nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Ausland Wirkungen zeigt, verdeutlicht der Protest der Kommunisten gegen die Vorstellung der T-Shirts im Tschechischen Zentrum in Wien, die am 29. September durch den ehemaligen tschechischen Botschafter in Österreich, Jirí Grusa, erfolgen soll. Die Leitung des Zentrums wertet die Aktion als wichtigen "Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des eigenen Landes". Die KSCM betrachtet dagegen die Wiener Veranstaltung als "Skandal", weil sie auf eine "Rufschädigung" der Tschechei hinauslaufe.

Foto: T-Shirt: KP-Logo als "NS-Adler"


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