© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/05 02. September 2005

"Erststimme: Martin Hohmann!"
Bundestagswahl: Der Kampf des aus der CDU ausgeschlossenen Abgeordneten um das Direktmandat im Wahlkreis Fulda
Curd-Torsten Weick

Guten Tag, mein Name ist Martin Hohmann. Ich bin Bundestagsabgeordneter und möchte um Ihre Erststimme werben." Die Tür des Einfamilienhauses wird geöffnet, ein bellender Hund bahnt sich den Weg, gefolgt von seinem etwas überraschten Herrchen: "Ja, hallo Herr Hohmann!" Es entspinnt sich ein kurzes, freundschaftliches Gespräch über den Ausschluß Hohmanns aus der CDU und die Wirkungsmöglichkeiten eines unabhängigen Kandidaten. Der 57jährige Bundestagskandidat überreicht eine Infobroschüre und DVD "Martin Hohmann - für unser Land" und läßt Hund und Herrchen den Feierabend genießen. Doch die Beschaulichkeit trügt.

Martin Hohmann tritt als unabhängiger Kandidat (JF 31-32/05) zur Bundestagswahl an - und nichts ist wie zuvor. Zumindest im hessischen Wahlkreis 176 mit dem Kreis Fulda, dem Altkreis Lauterbach und Teilen des Main-Kinzig-Kreises.

Vor allem in der CDU der Region schlug bereits Hohmanns Parteiausschluß wie eine Bombe ein, von der sich so mancher CDU-Ortsverband noch längst nicht erholt hat. Und nun noch ein Konkurrent aus den eigenen Reihen? "Warum mußte es so kommen?" fragte ein sichtlich betroffenes CDU-Mitglied, das nicht namentlich genannt werden mochte, und erklärte: "Gern geb ich Ihnen meine Erststimme. Wir stimmen in unseren Zielen überein. Aber - verfehlt sie ihr Ziel, hilft sie dann nicht allein der Frau Blum von der SPD? Ja, und was kann ein unabhängiger Abgeordneter überhaupt tun?"

Der "Unabhängige" hat viele Fragen zu beantworten und Zweifel auszuräumen, und sein Wahlkampf ist hart. Dennoch stehen die Zeichen für sein Ansinnen nicht schlecht.

In seinem Heimatort Neuhof erzielte der Vater von drei Kindern bei der letzten Bundestagswahl 54 Prozent (1998: 49,5) der Erststimmen und damit das beste hessische CDU-Ergebnis sowie das viertbeste CDU Ergebnis bundesweit. Nun hofft er, an diesen Erfolg anknüpfen zu können. Denn der zwischen 1984 und 1998 als hauptamtlicher Bürgermeister der 12.000-Seelen-Gemeinde Neuhof agierende Hohmann hat so manche Wegmarke gesetzt, die den Bürgern im - positiven - Gedächtnis bleibt. Hohmann ist bekannt und wird geschätzt. Kein Wunder also, daß all die skandalsuchenden Medien in der hessischen Gemeinde keinen Bürger fanden, der etwas Nachteiliges über den geschaßten CDU-Abgeordneten Hohmann sagte. Im Gegenteil. Doch vor den Erfolg hat der Wähler die Arbeit gesetzt, und so ist noch viel zu tun.

Und dennoch. Zwölf Kilometer von der malerischen Barockstadt Fulda entfernt, scheint im katholisch geprägten Städtchen Neuhof - und nicht nur hier - die Welt noch in Ordnung. Am Neuhofer Ortsrand erstreckt sich ein lang gestreckter, silbrig-grau schimmernder, 150 Meter hoher Kaliberg, der sogenannte "Monte Kali", eine der größten Kali-Abräumhalden Europas. Markant in seinen Ausmaßen, doch weitaus interessanter durch das "Gipfel"-Kreuz, das vor zehn Jahren durch die Initiative des damaligen Bürgermeisters Martin Hohmann auf demselben errichtet wurde. Weithin sichtbar und in der Nacht beleuchtet, weist es den Weg.

Überhaupt hat sich der überzeugte Katholik einerseits als Bürgermeister und auf der anderen Seite seit 1998 als Mitglied des Bundestages mit viel Herzblut für seine Gemeinde und seinen Wahlkreis eingesetzt. So verringerte sich die Verschuldung der Gemeinde Neuhof unter seiner Ägide um drei Millionen D-Mark (von acht auf fünf Millionen). Auch sein Engagement gegen den Bau einer Moschee in Schlüchtern-Niederzell (in den Jahren 2000 bis 2004), für die Instandsetzung des Neuhofer jüdischen Friedhofs sowie sein Kampf gegen Windkrafträder in der Fuldaer Region werden ihm von den Bürgern hoch angerechnet.

Nun ist der Wahlkampf im Wahlkreis 176 in vollem Gange. Doch für Hohmann ist es kein Wahlkampf, wie man ihn sich gemeinhin vorstellt: kein lockerer Rückgriff auf die Ressourcen der Partei, keine flächendeckende Bestückung der Landschaft durch Plakate und auch keine Hundertschaften von einheitsgekleideten Wahlkampfhelfern.

Statt dessen eine Wahlkampfzentrale im eigenen Haus. Geschmückt von einem ungeraden 24-Ender-Hirschgeweih, der Krönung von 40 Jahren Jagdleidenschaft, führen neben Hohmann selbst noch drei Mitarbeiter - Frau Litke, die das Sekretariat leitet, Herr Döhnert als Hohmanns rechte Hand und ein Mitarbeiter aus dem Münsterland, der oftmals getrennt von Frau und Kind eine wertvolle Hilfe ist - den Wahlkampf und freuen sich über jede helfende Hand und jede kleine Spende.

Hände wie die der wackeren jugendlichen Helfer, die an nur einem Tag ihr Bestes gaben, um den Wahlkreis 176 punktuell - die Mittel sind begrenzt - mit Hohmann-Plakaten zu bestücken. Im Eichenzeller Ortsteil Kerzell vermißte man sie sogar schon. Im Vorbeiradeln ruft ein Passant, ohne zu wissen, wer sie eigentlich sind, mit lauter Stimme: "Wird da endlich der Hohmann geklebt?"

Der Wahlkampf eines unabhängigen Kandidaten ist eben anders - muß anders sein: vor allem kostengünstiger, flexibler, persönlicher und arbeitsintensiver. Zwar ist die Postwurfsendung an die 137.000 Haushalte ein wichtiger Pfeiler der Information. Dennoch ist der persönliche Kontakt mit den Bürgern für den Erststimmen-Werber Hohmann das Nonplusultra.

Gerade dieses macht der Einzelkämpfer mit einer Akribie, die Hochachtung verdient. Täglich außer sonnabends macht er sich bis zu vier Stunden auf den Weg in eine der 36 Gemeindeverwaltungen. Zwei Stunden vormittags und bis zu drei Stunden am frühen Abend geht er dann von Haus zu Haus, um Erststimmen zu werben. Und es wird ihm viel Respekt entgegengebracht. Blanke Ablehnung ist mehr als selten, dafür der Ruf "viel Erfolg!" beinahe schon Standard.

Doch vor dem Erfolg stehen noch viele "Klinken", die "geputzt", viele Gespräche, die geführt werden müssen: Gespräche wie auf dem samstäglich von vielen Passanten besuchten Fuldaer Universitätsplatz.

Die Linkspartei/Linke/PDS/WASG ist schon da. Ebenso, umrahmt von blauen Luftballons (ohne Namenszug) und blauen Sonnenschirmen, die Hohmann-Getreuen. Irgendwann öffnet die SPD ihren professionellen Anhänger, der an eine Jahrmarktbude erinnert. Später als erwartet errichtet dann ein einzelner Mann den Stand der CDU, bis sich zu guter Letzt auch ein Häuflein Bündnisgrüne einfindet. Derweil schreitet Fuldas Oberbürgermeister Wolfgang Dippel über den Platz, besucht jeden Stand und fordert zwinkernd den "fairen Wettbewerb".

Mittendrin der Major der Reserve, Martin Hohmann. Kaum auf dem Platz erschienen, steht er im Mittelpunkt - der Ort des Standes ist geschickt gewählt. Nicht nur dies. Der sportliche Hohmann (40 Sportabzeichen) ist bekannt und wird - nicht nur von CDU-Sympathisanten - respektiert. Hohmann empfängt sehr viel Sympathie, und es gibt viele, die ihm ihre Erststimme zusichern. Andere signalisieren ebenfalls ihre Zustimmung und sind betrübt, da sie nur auf Urlaub in Fulda sind, also kein Wahlrecht im Wahlkreis 176 haben.

Doch es gibt auch viele CDU-Anhänger, die noch mit sich ringen: "Was kann ein unabhängiger Kandidat denn allein im Bundestag ausrichten?" "Klappt es nicht mit Hohmanns Direktmandat, ist meine Stimme nicht verloren? Erringt dann gar die SPD Kandidatin als lachende Dritte das Mandat?" Zur Beantwortung dieser Fragen ist Hohmann da und verbreitet Optimismus. War nicht seine - fraktionslose - Stimme die entscheidende Stimme bei der Wahl Horst Köhlers zum Bundespräsidenten? Hat man nicht gerade als Unabhängiger das freie Rederecht im Parlament? Redefreiheit ohne die Zuweisung von Redezeit durch die Fraktionsführung? War nicht der fraktionslose Hohmann eine der wenigen Stimmen im Bundestag, die die Mängel der Europäischen Verfassung anprangerten? Und könnte der unabhängige Hohmann bei einem Patt nach der Wahl nicht sogar das Zünglein an der Waage sein?

Nichtsdestotrotz steht vor allem die CDU im Wahlkreis Fulda vor einem Dilemma. Der "Fall Hohmann" wurde von oben nach unten durchgereicht, und so stand die regionale CDU als eigentliche Leidtragende des Merkel-Kurses gegen Hohmann da. Notgedrungen erhob man den bisherigen Pressesprecher der CDU Hessen, Michael Brand (31), aufs Schild. Der sieht den konservativen Alfred Dregger als Vorbild und doch seinen größten Widersacher im Dregger-Mann Martin Hohmann. Verkehrte Welt. Doch nach dem Motto "Augen zu und durch" führt man nun den Wahlkampf um Erst- und Zweitstimmen. Parallel dazu vernimmt man verlegene und resignierende, aber auch ermunternde Worte am Stand: "Der Hohmann ist doch einer von uns." Selbst am Stand der Linkspartei zollt eine WASG-Aktivistin dem Katholiken Respekt: "Der steht wenigstens für etwas!" Der Name Hohmann ist Programm. In diesem Sinne wirbt der - auch ohne CDU - bekennende Christdemokrat Martin Hohmann in seinem Wahlkreis um Zustimmung: "Erststimme: Martin Hohmann. Zweitstimme: Wie bisher"!

 

Wahlkampfbüro Martin Hohmann, August-Rosterg-Straße 10, 36119 Neuhof, Tel. 0 66 55 / 43 02, Fax: 0 66 55 / 7 43 02

Wahlsonderkonto Hohmann: VR Genossenschaftsbank Fulda eG; Wahlsonderkonto Hohmann; Stichwort: Martin Hohmann; BLZ: 530 601 80; Kontonummer: 7127898.

 

Wahlkampfzentrale daheim: Der Wahlkampf eines unabhängigen Kandidaten ist anders- muß anders sein. Vor allem kostengünstiger, flexibler, persönlicher und arbeitsintensiver Wahlplakat: Die CDU setzt auf Orange, Martin Hohmann auf Blau Überzeugungsarbeit: "Hohmann ist bekannt und wird geschätzt"

 

Stichwort: Martin Hohmann

Martin Hohmann wurde am 4. Februar 1946 in Fulda geboren. Der dreifache Familienvater hat nach Abitur und Wehrdienst beim Bundeskriminalamt Rechtswissenschaften studiert. Danach arbeitete er dort in Wiesbaden, zuletzt als Kriminaloberrat in der Abteilung Terrorismus. Von 1984 bis 1998 war der Katholik hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Neuhof. Danach wechselte er als Direktkandidat in den Bundestag. 2002 wurde er mit dem bundesweit viertbesten Direktergebnis wiedergewählt. Nach einer umstrittenen Rede am 3. Oktober 2003 und einer folgenden Kampagne wurde er aus der Unionsfraktion und später der Partei ausgeschlossen. Hohmann hat dagegen juristische Schritte eingeleitet. Am 16. September 2005 wird das Urteil des Landgerichts Berlin erwartet.


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