© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/05 09. September 2005

Huldigungsszenen einer Ehe
CSU-Parteitag: Delegierte feiern Merkel / Stoiber liebäugelt mit Außenministerium
Paul Rosen

Kurz vor dem möglichen Wahlsieg am 18. September scheint Edmund Stoiber zu schwächeln. Seine CSU ist zwar weit entfernt von einer offenen Rebellion gegen den Chef, aber mitten im Wahlkampf bekam Stoiber auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg einen Dämpfer. Statt des erwarteten 98-Prozent-Ergebnisses fuhr Stoiber bei seiner Wiederwahl "nur" 93,06 Prozent ein und büßte damit fast vier Prozentpunkte ein. Schon riefen erste Zeitungskommentatoren den Anfang vom Ende der Ära Stoiber aus.

Stoiber hat seine Partei fest im Griff

Aber so schnell wird Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) ihren bayerischen Rivalen nicht los. Stoiber hat seine Partei weiter fest im Griff. Im Vorstand ist er von willigen Gefolgsleuten umgeben. Die führenden Köpfe der CSU, Staatskanzleichef Erwin Huber, Innenminister Günther Beckstein und Landesgruppenchef Michael Glos, gehören alle zur Generation Stoiber und wären allenfalls Übergangslösungen im CSU-Vorsitz. Keiner von ihnen hat ernsthaftes Interesse, Stoiber zu stürzen, auch wenn Beckstein bei CSU-internen Wahlen regelmäßig die höchste Zustimmung erfährt. Wie schon bei der Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl bekam der Innenminister auch bei den Vorstandswahlen die meisten Stimmen aller Kandidaten.

Auffällig war, daß der im Zuge des Streits um die richtige Gesundheitspolitik von seinem Berliner Fraktionsamt zurückgetretene Parteivize Horst Seehofer nicht abgestraft wurde. Seehofer, der bereits vor zwei Jahren mit 85 Prozent ein für CSU-Verhältnisse nur durchschnittliches Ergebnis einfuhr, sackte um knapp zwei Prozentpunkte ab. Das kann nicht als Mißtrauensvotum gewertet werden. Viele Beobachter des Parteitages hatten ihm bestenfalls 60 Prozent prognostiziert. Daß Seehofer, der gegen Merkels Einheits-Kopfpauschale Sturm gelaufen war, geschont wurde, dürfte mit der alten Sehnsucht der CSU nach sozialer Gerechtigkeit zu erklären sein.

Während die CDU auf ihrem Leipziger Partei einheitliche Kassenbeiträge für alle - somit eine gleiche Belastung für Putzfrau und Vorstandsvorsitzenden - beschlossen hatte, gibt es in der CSU klare Mehrheiten, die eine stärkere Belastung von Gutverdienern wollen. Für diese Richtung steht der Name Seehofer. Und auch Stoiber hat die Bedeutung des Sozialrebellen erkannt. Der Parteichef konnte ihn immerhin bewegen, weiter in der CSU-Führung zu bleiben.

Ein ernsthafter Rivale ist Seehofer für Stoiber aber nicht. Der seit Jahrzehnten in der Bundespolitik tätige Ingolstädter hat in Bayern keine Hausmacht. Stoiber kann immerhin darauf verweisen, daß er mit seinen 93 Prozent noch weit mehr bekam als Merkel auf dem CDU-Parteitag Ende vergangenen Jahres in Düsseldorf, wo die CDU-Chefin mit 88 Prozent in ihrem Amt bestätigt worden war. Das ändert aber nichts daran, daß die CSU die Kanzlerkandidatin inzwischen akzeptiert hat. Bei der Rede der CDU-Chefin auf dem CSU-Parteitag waren Huldigungsszenen zu erleben. Die Delegierten gaben ihr mit 13 Minuten Beifall zwei Minuten mehr, als sie ihrem eigenen Chef spendeten. Und Stoiber selbst stellte fest, zwischen die Kanzlerkandidatin und ihn passe kein Blatt.

CSU will mehr Stimmen als die FDP erkämpfen

Es ist klar, wieso die CSU die Führungsrolle der CDU-Chefin auf einmal akzeptiert. Die Chancen, daß Merkel im Oktober zur ersten deutschen Kanzlerin gewählt wird, liegen bei weit über 50 Prozent. Dann wird sie es sein, die in einer neuen Bundesregierung die Posten verteilt. Und auch die CSU will sich nicht mit unwichtigen Posten wie Entwicklungshilfe oder schwierigen Ämtern wie Verteidigung abspeisen lassen. Das macht die Bayern gefügig, zumindest vorübergehend.

Der Parteitag in Nürnberg gab keine Auskunft darüber, was Stoiber nach der Wahl machen wird. Jüngsten Gerüchten zufolge ist er der Übernahme des Auswärtigen Amtes nicht abgeneigt. Dafür müßte die CSU mehr Stimmen bekommen als die FDP, was im Bereich des Möglichen liegt. Damit könnte sich Stoiber erfüllen, was für Strauß ein Traum geblieben war: die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich zu bestimmen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen