© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/05 09. September 2005

Die Weiche in die konfessionelle Trennung
Der vor 450 Jahren beschlossene Augsburger Religionsfriede zeitigt bis heute Auswirkungen auch auf die politische Landschaft
Marco Reese

In diesen Tagen jährt sich der Augs burger Religionsfriede, der Ende September 1555 zwischen König Ferdinand I. und den protestantischen Reichsständen geschlossen wurde, zum 450. Mal. Dieses Ereignisses gilt es angesichts der konfessionellen Landschaft in Deutschland mit ihrem partiellen Sprengelcharakter zu gedenken, die sich darauf zurückführen läßt.

Die Veröffentlichung der 95 Thesen des Reformators Martin Luther in Wittenberg 1517 eröffnete den mehr als einhundert Jahre andauernden Kampf um die konfessionelle Vorherrschaft im Reich. Luther zentrierte in seiner Interpretation der Heiligen Schrift den Glauben an Gott statt des gottgefälligen Werkes. Seine Kritik der kirchlichen Zustände, die er auf das Ursprüngliche zurückgeführt sehen wollte, brachte ihn in Konflikt mit der Kirche (der Papst bannte ihn) und mit Kaiser Karl V., der 1521 die Reichsacht gegen ihn verhängte (Wormser Edikt).

Auseinanderbrechen des Reiches verhindern

Die frühe Zuwendung deutscher Reichsfürsten zu den reformatorischen Ideen - bereits zwei Jahre nach dem Thesenanschlag eröffnete außerhalb des Reiches ausgerechnet der verweltlichte preußische Ordensstaat den Reigen des Bekenntniswechsels - ließen die theologische Frage zusehends zum Politikum werden. Nach Aufhebung (1526) und Wiedereinsetzung des Edikts (auf dem Reichstag 1529 mit Protestation der Lutheraner, wovon sich der Name Protestanten ableitet) lud Karl aufgrund der zunehmenden Belastung des Reiches durch den Konfessionenstreit 1530 wieder zu einem Reichstag nach Augsburg ein, wo die lutheranischen Fürsten ihr Manifest, die "Confessio Augustana", vortrugen. Nach deren Zurückweisung durch den Kaiser erfolgte die Gründung des Schmalkaldischen Bundes zur Abwehr einer möglichen Reichsexekution.

Wegen des Angriffs der Türken in Ungarn erklärte Karl sich 1532 allerdings zum "Nürnberger Anstand" bereit, der die protestantischen Stände in den Reichslandfrieden einbezog. Jahre später jedoch sah er sich nach außenpolitischen Klärungen in der Lage, gegen den Bund vorzugehen, griff ihn 1547 wegen dessen Nichtteilnahme am Trienter Konzil an, welches seit 1545 katholische Reformen erarbeitete (Gegenreformation), und besiegte ihn. Um nun klarere Verhältnisse zu schaffen und da das Konzil kaum vorankam, berief er für Mai 1548 den Reichstag in Augsburg ein, wo er Priesterehe und Laienkelch genehmigte (Augsburger Interim).

Dieser vorläufige Kompromiß hatte das Ziel, ein Auseinanderbrechen des Reiches über den Konfessionenstreit zu verhindern, bis das Konzil Entscheidungen getroffen haben sollte. Der Versuch wurde aber von beiden Seiten als Aufweichung ihrer Ansichten betrachtet und scheiterte. Mit dem durch Karls Bruder Ferdinand nach des Kaisers Flucht wegen eines Fürstenaufstands aus Innsbruck 1552 mit den Aufständischen geschlossenen Passauer Vertrag, der den Status quo bestätigte, war das Interim hinfällig.

Eine Lösung des Problems war noch immer nicht erreicht. Die sollte erst ein neuer Reichstag, abermals in Augsburg, bringen. Im September des Jahres 1555 traten die Stände erneut zusammen, jedoch nicht unter Vorsitz des mittlerweile regierungsmüden Kaiser Karls, sondern seines Bruders. Die Vereinbarung, welche neben weniger belangvollen nun endlich getroffen wurde, ist unter der lateinischen Formel "Cuius regio, eius religio" bekannt, was soviel heißt wie "Wessen Herrschaft, dessen Glaube".

Die weltlichen Reichsstände sollten somit die Konfession innerhalb ihres Territoriums selbst festlegen, es sollte also weder der Katholizismus bindend für das Reich sein, noch sollte es allgemeine Religionsfreiheit geben. Bewohner eines Territoriums, die eine andere Konfession hatten, sollten konvertieren oder in ein Territorium auswandern dürfen, dessen Fürst dieselbe hatte. So sollten Konflikte innerhalb eines Reichsstandes vermieden werden. Dies galt allerdings nicht in den Reichsstädten, wo freie Konfessionenwahl möglich war. Für die geistlichen Territorien wurde festgesetzt, daß ein Bischof, der konvertieren wollte, zurücktreten mußte (Geistlicher Vorbehalt). Die Beschlüsse hatten Geltung für Katholiken und Lutheraner, nicht aber für die Calvinisten.

Cuius regio, eius religio wurde das Konfessionsprinzip

Historiker sind sich uneinig, ob die Ergebnisse zureichend waren. Angeführt wird, daß der Friede den Grundstein für ein Zusammenleben beider Konfessionen im Reich legte, kritisiert wird aber die Gewährung der Religionsfreiheit nur für die Fürsten. Andere Stimmen meinen, daß gerade in der Übertragung der Konfessionswahl auf die Stände eine gesunde Mitte gefunden sei. Den Beschluß kann man auch als Triumph der hergebrachten Teutschen Libertät (der Fürsten und Stände) deuten. Er stellt einen Kompromiß dar. Eine weitere Nichtanerkennung der Protestanten hätte das Reich nicht verkraftet, sie waren bereits zu stark geworden. Positiv ist jedenfalls zu werten, daß es Ferdinand und den Katholiken gelang, die geistlichen Stände unangetastet zu lassen, so daß die Katholische Kirche in dieser Hinsicht nicht nennenswert geschwächt wurde.

Der Friede wies den Weg in ein zweikonfessionelles Deutschland. Mehr noch als der in Münster und Osnabrück ausgehandelte Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg hat der Augsburger Religionsfriede die religiöse und damit auch die politische Landkarte der Gegenwart beeinflußt. Dies heißt bis heute einerseits regionale Vielfalt durch verschiedene Ausprägungen des Christentums, verbunden mit den Regionaltraditionen und dem aus den damaligen Reichsterritorien begründeten sprengelhaften Charakter der Kirchenterritorien mit vielen Ex- und Enklaven. Andererseits führte es immer wieder zu Streit, in institutionellen wie in theologischen Fragen (bis zum Kulturkampf zwischen Bismarck und der katholischen Kirche). Und natürlich hängt auch der spätere Dualismus zwischen Preußen und Österreich damit ebenso zusammen wie die in aktuellen Vorwahlkampfzeiten verstärkt wahrgenommenen Parteipräferenzen.

Wolfgang Kilian: "Einzug des Friedens in Augsburg", Kupferstich 1649: Triumph Teutscher Libertät

Pergamentlibell mit Siegeln vom Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555: Folgenreicher als Westfälische Friede

Die Ausstellung "Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden" läuft noch bis zum 16. Oktober im Maximilianmuseum in Augsburg. Weitere Informationen im Internet unter www.augsburger-regionsfrieden.de 


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