© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/05 09. September 2005

Meldungen

Eine Lanze für Humboldt

KÖLN. Wilhelm von Humboldt gilt zwar als Ikone der deutschen Bildungsgeschichte, doch zugleich werden Kritiker nicht müde, auf die "Mythisierung" seiner Verdienste hinzuweisen. Schließlich habe der Ästhet während seiner kurzen preußischen Reformzeit kaum Einfluß auf die praktische Umsetzung seiner Denkschriften zur Bildungs- und Unterrichtsreform gehabt. Im übrigen seien diese Humboldtschen Reformen auch gescheitert, da in der preußischen Bildungspolitik niemals Mündigkeit und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe das Erziehungsziel gewesen sei, sondern die "Abrichtung" des einzelnen auf in der Regel verdammungswürdige Staatsziele. Als ebenso kritikwürdig gilt die angebliche "Staatsferne" seiner Konzeptionen. Diesen Klischees über Humboldt und seinen Ideen ist nun Jürgen von Ungern-Sternberg zu Leibe gerückt (Archiv für Kulturgeschichte, 1/05). Mit dem Fazit, daß man "heutzutage wohl schon Amerikaner sein" müsse, "um vor einer leichtfertigen Aufgabe noch geltender Maximen der Ausbildung an deutschsprachigen Universitäten warnen zu dürfen".

 

Schattenseiten der dänischen Medaille

KOPENHAGEN. Nicht nur in der Binnenperspektive ihrer Eliten und weiter Teile ihrer Einwohnerschaft werden Dänemark, Schweden und Holland gern als moralische Großmächte wahrgenommen, besonders im Vergleich mit den Deutschen. Jedoch haben jüngere historische Untersuchungen über ihre Beziehungen zum Dritten Reich die moralische Selbstgerechtigkeit der Holländer und Skandinavier etwas erodieren lassen. In besonders unangenehmer Weise ist solche Verunsicherung nun in Dänemark zu spüren. Auslöser ist eine umfangreiche Studie des Isländers Vilhjalmur Örn Vilhalmsson: "Medaljens bagside. Jødiske flygtningeskaebner i Danmark 1933-1945". Vilhalmsson, eigentlich Archäologe, relativiert die Bedeutung der Rettungstat von 1943, als dänische Juden dem NS-Zugriff durch eine heimliche Evakuierung nach Schweden entzogen werden konnten. Nicht solcher Heroismus hätte die Kopenhagener Politik bestimmt, sondern Restriktionen und Kollaboration. An 21 akribisch rekonstruierten Einzelschicksalen zeigt der Autor, wie dänische Behörden jüdische Flüchtlinge nach Deutschland auslieferten, wo 19 von ihnen in Konzentrationslagern umkamen.

 

Europas Norm vor 2.400 Jahren

HEIDELBERG. Europa sei nicht nur ein geographischer Begriff, sondern primär eine politisch-kulturelle Konzeption, die, wie der Bonner Philologe Jörg-Dieter Gauger herausstellt, erstmals von dem griechischen Historiker Herodot formuliert worden sei (Das Gymnasium, 112/2005). Als europäische Identität konstituiere sich das griechische Selbstverständnis vor allem durch gemeinsame Lebensformen, die durch den realpolitisch gegebenen Gegensatz zu Asien, zur Bedrohung durch die die griechische "Freiheit" bedrohende "Tyrannei" des persischen Weltreiches bedingt waren. Die Freiheitsparole verband sich parallel dazu mit der gleichfalls durch diesen Gegensatz forcierten Idee der Demokratie als "originäre normative Bestimmung und zugedachte historische Rolle". Mit einer kühnen Sprung in die Gegenwart resümiert Gauger: Der 11. September 2001 habe deutlich gemacht, daß es an Gegenentwürfen zu "jenem Europa" der freiheitlich-demokratischen "Bürgergesellschaften" griechischer Stadtrepubliken künftig nicht mangele.

 

Erste Sätze

Am Anfang war Bismarck.

Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866-1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie, München 1992


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