© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

Zahlmeister für Europa und die Welt
Überweisungen ins Ausland: Trotz Arbeitslosigkeit, Verschuldung und Hartz IV - Deutschland trägt schwer an seinen internationalen Kosten
Werner Veith

Geheime Ausgaben für besondere Zwecke des Auswärtigen Amtes: 1,111 Millionen Euro", heißt es im Bundeshaushalt 2005 unter dem Budgetposten 52902-029. Welche delikaten Angelegenheiten sich dahinter verbergen, soll jedoch nur der Rechnungshof erfahren. Weniger schleierhaft ist da schon der deutsche Beitrag für die Verschrottung russischer U-Boote. Hierfür veranschlagen die Finanzplaner 55 Millionen Euro - und nochmals 60 Millionen für die Beseitigung von sowjetischem Nuklearmaterial und Chemiewaffen. Und so geht es weiter - nicht nur dem ölreichen Rußland greift die rot-grüne Regierung unter die Arme. Wer den Bundeshaushalt 2005 durchblättert - immerhin über 2.300 Seiten mit mehr als 10.000 Einzelposten -, bekommt den Eindruck, daß sich der oftmals gehörte Ruf Deutschlands als Zahlmeister Europas und der Welt bestätigt.

Friedenstruppen der Uno sind in vielen Regionen stationiert und erwarten millionenschwere deutsche Finanzspritzen: Libanon (6,4 Millionen Euro), Westsahara (2,9 Millionen), Kosovo (18,6), Kongo (78,1), Liberia (56,2), Haiti (25,9), um nur einige zu nennen. Mit der Grundgebühr für die Vereinten Nationen und ihre Schwesterorganisationen kommen da schnell 521 Millionen Euro pro Jahr zusammen.

Deutschland zahlt zehn Prozent des Uno-Haushalts, stellt aber nur 5,5 Prozent des Personals der Weltorganisation. Das sind 137 von 2.500 Angestellten, berichtet das Wirtschaftsmagazin Impulse. Effektive Lobbyistenarbeit für einen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat läßt sich da schwerlich betreiben.

Kostenträchtig sind auch die Bundeswehreinsätze fern der Heimat. Deutsche Soldaten versuchen sich in Afghanistan, Äthiopien und Eritrea, am Horn von Afrika, Georgien, Serbien und Kosovo in der Verhinderung von Konflikten und Beseitigung von Minen. Kostenpunkt: 1,1 Milliarden Euro. Zusätzlich werden Waffen und Ausrüstung verschenkt: U-Boote für Israel und Überschußmaterial der Bundeswehr (außer Waffen und Munition) werden unentgeltlich an bestimmte Länder abgegeben, notiert der Bundeshaushalt.

Doch wie hoch der Transfer deutscher Steuergelder ins Ausland letztlich wirklich ist, ist nur schwer zu ermitteln. Es wird kein Sammelposten für Auslandszahlungen ausgewiesen, wie das beispielsweise bei den Zuschüssen für die Sozialversicherung geschieht: Immerhin fast 90 Milliarden Euro fließen jährlich zugunsten von Rente, Krankenversicherung und Bundesagentur für Arbeit aus dem Bundeshaushalt ab. Wer unsere Staatsausgaben durchforstet, um Auslandszahlungen zu erkennen, muß viele Budgetposten durchleuchten. Manches ist offensichtlich, anderes wahrscheinlich. Zuweilen gibt es aber separate Studien, die für Aufklärung sorgen.

Das Finanzministerium in Berlin hat Forderungen gegen das Ausland von insgesamt 47,578 Milliarden Euro. Doch ob Länder wie Ägypten (2.556 Millionen Euro), Syrien (596 Millionen) oder das Südseereich Tonga (4 Millionen Euro) jemals ihre Kredite zurückzahlen können, ist sehr fraglich. Und wann die Volksrepublik China (1.505 Millionen Euro), Polen (1.840 Millionen) oder Rußland (13.233 Millionen Euro sowjetische Altschulden) ihre Kredite zurückzahlen sollten, gibt die Übersicht des Finanzministeriums nicht bekannt.

Mit einem gewissen Stolz präsentiert die Bundesregierung die Leistungen der öffentlichen Hand auf dem Gebiet der Wiedergutmachung von NS-Unrecht. Im Jahr 2004 war es fast eine Milliarde. Von 1950 bis Ende des Jahres 2004 wurden über 62 Milliarden Euro geleistet. Die Zahlungen "verteilen sich zu etwa 20 von Hundert auf das Inland, zu etwa 40 von Hundert auf Israel und im Übrigen auf das sonstige Ausland".

Nach dem Willen der Bundesregierung sollten die laufenden Entschädigungen den Verfolgten des Nazi-Regimes bis an deren Lebensende zugute kommen, so die Statistiker des Finanzministeriums. Sie gehen daher - selbst bei vorsichtigen Schätzungen - von weiteren Zahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe aus.

Wer sich am Bundeshaushalt orientiert, kommt auf Auslandsüberweisungen in Höhe von 16,374 Milliarden Euro. Andere Zahlenkolonnen dagegen präsentiert die deutsche Bundesbank. Sie erfaßt die faktischen Netto-Überweisungen von Deutschland ins Ausland. Für das Jahr 2004 kommt die Bundesbank auf 20,573 Milliarden Euro. Folgende Faktoren zeigen sich da: Europäische Union 12.739 Millionen Euro; Internationale Organisationen 1.477 Millionen Euro; Entwicklungshilfe 1.579 Millionen Euro; Renten, Unterstützungen 4.778 Millionen Euro.

Einig sind sich alle Statistiken, daß die Nettozahlung an die EU den Löwenanteil ausmacht. 2005 erwarten die Experten deutsche Nettozahlungen in Höhe von zehn Milliarden. Pro Kopf zahlen nur Schweden und Niederländer mehr nach Brüssel.

Auf der Nutzenseite profitieren lediglich Hopfenbauern und neue Bundesländer von der EU. Bei allen anderen Programmen zahlt Deutschland mehr, als zurückfließt. Die EU subventioniert Milch, Rindfleisch, Eier, Zucker, Seidenraupen, Wein und Tabak - gleichzeitig versucht sie, die Zigarettenwerbung europaweit zu verbieten. Mit fast einer Milliarde Euro unterstützt die EU den Tabakanbau - besonders in Griechenland, Italien und Spanien -, obwohl bei Tabak keine Nachfrage besteht, meint der Europäische Rechnungshof. Die deutschen Tabakpflanzer erhielten gerade mal 35,5 Millionen Euro EU-Unterstützung im Jahr 2003.

Weitere Zahlungen garantiert vor allem die EU-Osterweiterung. Zwar sind Übergangsfristen vorgesehen, doch die "Finanzielle Vorausschau 2007 bis 2013" aus Brüssel zeigt, wohin die Reise geht. So schlägt die Europäische Kommission vor, das jetzige EU-Budget von 100 Milliarden Euro auf 158 Milliarden Euro im Jahr 2013 zu heben. Die Zahlung aus Deutschland dürfte sich verdoppeln, die Rückflüsse werden abnehmen: Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg stehen dann in Konkurrenz zu Polen und Tschechien, die wirtschaftlich wesentlich schwächer sind. Folge: Die deutschen Problemgebiete gelten dann nicht mehr als strukturschwach, erhalten also kein Geld aus den Förderfonds.

Dennoch scheint allen Beteiligten klar: Langjährige EU-Finanzhilfen wie für Spanien und Portugal wird und kann es für Osteuropa nicht geben "Finanzhilfen wie für Spanien von netto 8 Milliarden Euro pro Jahr gibt es nur einmal im Jahrhundert in Europa", erklärt Rüdiger Zoller, Politikwissenschaftler an der Universität Erlangen-Nürnberg, und fährt fort: "Bei Albanien wären die Leute gleich skeptischer. Da denkt man schnell an die Hütchenspieler."

 

Stichwort: Übertragungen

Unter der Bezeichnung "Laufende Übertragungen der Bundesrepublik Deutschland an das bzw. vom Ausland" veröffentlicht die Deutsche Bundesbank jeden Monat Zahlungen, die ohne Gegenleistung erbracht werden. "Überweisungen der Gastarbeiter" sind ein prominentes Beispiel im privaten Sektor, Zuwendungen an internationale Organisationen, Entwicklungsländer, Renten und Pensionen dominieren den öffentlichen Sektor. ( www.Bundesbank.de /Statistik; Kapitel X, Absatz 5 der Bundesbanksystematik).


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