© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/05 16. September 2005

Faustische Verlockungen
"Teufel, Teufel . . . ein höllisches Vergnügen": Zweitausendeins hat Gottfried Knapps satanischen Bildband im Programm
Sven Lachhein

Vorhang auf für die gefallenen Engel! Bücher überall! Viel Gerede und Geschreibsel, Texte massenhaft, Erbauungsliteratur, "Die kleine Wissenssammlung", "Hausfreund und Gärtner" - alles schwarz-weiß auf chlorfrei gebleichtem Umweltpapier. Aber Lesen bildet, heißt es. Also lies, Ungebildeter! Lies die Schwarten, werde gescheit! Mit Eifer hab ich mich der Studien beflissen und bin dumm geblieben, kenne zwar die vielen Texte in Wort und Schrift, bin jedoch nie im Bilde. Die Erinnerung an sie beschränkt sich auf fortlaufende Buchstabenreihen ohne Sinn. Ob nun Boccaccio oder Brecht, ob Dante oder Dürrenmatt. Von allen weiß ich nur noch eins zu sagen: schwarzes Geschmiere auf weißem Grund. Zum Henker! Das ist weder göttlich noch Komödie.

Da ich nun weiß, daß ich nichts weiß, mir in Ermangelung von Witz und Geist nicht einmal der Schalk, sondern allenfalls der Leibhaftige im Nacken sitzt, ich aber dennoch nach Weisheit strebe, fand ich durch himmlische Fügung zufällig ein Brevier satanischer Verführungen von Gottfried Knapp, reich bebildert, arm an Text. Gegliedert in fünf Akte faustischer Verlockungen, erreicht das Werk seinen Klimax gemäß klassischer Dramenkunst im dritten: drei dralle Hexen, nackt, sich einander lustvoll hingebend. Wo der Teufel waltet, ist die Versuchung nicht weit.

Vierundneunzig buntbebilderte Seiten purer Satanismus, von Grünewald bis Gründgens, vom "Lästigen Teufel" bis zu "Versuchung und Verrat Christi". Zwischen Gott, Papst, Teufel und barem Verlangen sind alle Genres durch alte und neue Meister anschaulich vertreten. Wozu also lesen, wenn es Bilderbücher gibt. Nach Betrachten der Lektüre fühle ich mich wesentlich gescheiter als zuvor, erachte den mir aufgezwungenen Katechismus als gescheitert. Pfeift auf Ablaßbriefe, zeichnet Teufelsanleihen!


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