© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

Kolumne
Die Zukunft steht auf dem Spiel
Klaus Hornung

Die Deutschen haben gewählt, aber nichts entschieden. Nachdem sieben Jahre Rot-Grün das Land weiter in den Ruin geführt haben, hat die Mehrheit nicht vermocht, einen Neuanfang zu wagen. Die ökonomische Krise hat nun auch das politische System erreicht. Die beiden sogenannten "großen Volksparteien" sind im Sinkflug auf je etwa ein Drittel der Wähler. Das Land ist am Rande der Unregierbarkeit. Anstatt die Krise anzupacken, stehen unruhige Jahre bevor und labile Regierungen; man spricht von Minderheitskabinetten, baldigen Neuwahlen. Weimar läßt ernsthaft grüßen.

Der Mann auf der Brücke der Titanic, der sich für unersetzbar hält, ist am besten in der Rolle des Dirigenten der immer schriller blasenden Bordkapelle, während das Wasser schon den Ballsaal erreicht hat. Er wird als ausgebuffter Medienillusionskünstler in die Geschichte eingehen, als ein Hauptakteur unseres Verfassungswandels von der Demokratie zur Medienherrschaft. Sie ist der eigentliche Sieger dieser Wahl, der es vermocht hat, dem Volk "des Kaisers neue Kleider" vorzuführen, obwohl der schon längst nackt ist: 1.600 Milliarden Euro Staatsschulden, die für Zinsen 20 Prozent des jährlichen Steueraufkommens verschlingen, und eine leere Rentenkasse ohne Rücklagen sind eine atemberaubende Wirklichkeit.

Und die Union? Ihr Wahlkampf war strategisch und taktisch schlecht. Sie ließ sich wieder einmal erkennbar einschüchtern. Das Experiment Kirchhof wurde zur Wiederholung des Elbehochwassers vor drei Jahren. Und es rächt sich eben, wenn man jahrelang seine treuesten Anhänger, entschiedene Christen, aufrichtige Patrioten, Vertriebene, Mittelstand, Landwirtschaft im Regen stehen läßt oder der Political Correctness zum Fraß vorwirft und mit bürgerlicher Indolenz eine linke und linksliberale Mehrheit die Kommandohöhen der Medien entern ließ und alles tat, um die notwendige Heilung des "deutschen Komplexes" durch eine "positive Definition des deutschen Nationalbewußtseins" (Dieter Stein) zu verhindern.

Als der Bundespräsident am 21. Juli die zentrale Wahrheit unserer Lage aussprach "Unsere Zukunft und die unserer Kinder stehen auf dem Spiel!", haben freche Medienzampanos sie sogleich als "unangemessene Dramatisierung" abgetan, und die Mehrheit wollte sie nicht hören. Jetzt muß man fragen: Wohin geht die zweite deutsche Republik und Demokratie? Gott schütze Deutschland!

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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