© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

BRIEF AUS BRÜSSEL
Diskriminierung Zyperns beenden
Andreas Mölzer

Einmal mehr zeigt sich, welch merkwürdiger Verein die EU ist. Da werden von der Brüsseler Nomenklatura die Interessen des EU-Mitglieds Zypern hinter die des Nichtmitglieds Türkei gestellt. Trotz der Nichtanerkennung der Inselrepublik durch die Regierung von Recep Tayyip Erdogan sollen Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Daß EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn die Türkei um Öffnung ihrer Häfen für zypriotische Schiffe bittet, ist nichts anderes als das Eingeständnis des Scheiterns der Erweiterungsphantasten.

Eigentlich wäre es das mindeste, daß ein Staat, der von den Annehmlichkeiten der EU profitieren will, sich für Schiffe und Flugzeuge eines EU-Mitglieds öffnet. Wenn die Türkei schon im Vorfeld von Beitrittsverhandlungen ein EU-Mitglied ohne jegliches Schamgefühl diskriminiert, dann kann man sich leicht ausmalen, wie sie als EU-Mitglied mit ihr mißliebigen EU- "Partnern" umspringen wird.

Trotz dieser offen zur Schau gestellten Diskriminierung durch die Türkei steht Zypern innerhalb der EU allein da. Zuletzt rückte Dominique de Villepin von seiner Unterstützung für Nikosia ab. Plötzlich meint der französische Premier im Verein mit den türkenfreundlichen Briten, daß die Anerkennung Zyperns bloß eine Vorbedingung für einen Beitritt sei. Anstatt endlich Klartext mit Ankara zu sprechen, wird das Problem in der Hoffnung, daß es sich irgendwann von selbst löst, auf die lange Bank geschoben.

Auch der österreichische Kanzler Wolfgang Schüssel spielt in der Frage der Diskriminierung Zyperns eine unrühmliche Rolle. Anstatt seinem ganzen Gerede von der Zusammenarbeit der kleinen EU-Länder endlich Taten folgen zu lassen und sich auf die Seite Nikosias zu stellen, macht der ÖVP-Chef wieder einmal das, was er am besten kann: nämlich schweigen. Dabei hätte gerade Österreich als kleines EU-Land nicht zuletzt auch durch die Erfahrung der Sanktionen im Jahr 2000 die moralische Verpflichtung, Zypern mit all seinen Kräften zu unterstützen. Indessen setzt die Türkei ihre Politik der ständigen Provokationen unbeirrt fort und liefert beinahe täglich neue Beweise für ihre fehlende EU-Reife. Dem Schriftsteller Orhan Parmuk, Träger des diesjährigen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, soll nun in der Türkei der Prozeß gemacht werden. Das "Verbrechen" des Literaten: Er wagte es, über den Völkermord an über einer Million Armeniern die Wahrheit zu sagen.

Ungeachtet aller Bedenken stellen die Erweiterungsfanatiker immer neue Studien vor, welche die Segnungen lobpreisen, die nach einem Türkei-Beitritt über Europa hereinbrechen werden. In der neuen Studie einer britischen Denkwerkstatt wird behauptet, die Türkei sei das "strategisch wichtigste Land, das sich je um eine EU-Mitgliedschaft beworben hat", und Europa könne von den angeblich hervorragenden Beziehungen Ankaras zu den Ländern des Nahen Ostens nur profitieren.

In Wahrheit beschränken sich die guten Beziehungen der Türkei im wesentlichen auf Israel, weshalb die arabische Welt Ankara sehr distanziert gegenübersteht. Bereits in der Vergangenheit war das Verhältnis der Türken zu ihren arabischen Nachbarn über Jahrhunderte äußerst konfliktträchtig - soviel nur zur "Brückenfunktion" der Türken zur arabischen und islamischen Welt.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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