© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

König Carl
Rechte Protestpartei wird zweite Kraft in Norwegen
Martin Schmidt

Was ist ein "Populist"? Ein Politiker, der aus Sorge um die Zukunft das ausspricht, was die Mehrheit des Volkes denkt, oder nur einer, der den Menschen nach dem Mund redet, um eigener kurzfristiger Erfolge wegen? Carl Ivar Hansen personifiziert beides und hat Erfolg damit. Bei der jüngsten Parlamentswahl in Norwegen stieg seine Fortschrittspartei (FrP) mit über 22 Prozent zur zweitstärksten Kraft nach der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (AP) auf. In der Regierung sitzt sie allerdings wieder nicht, denn anstelle der bisherigen bürgerlichen Drei-Parteien-Koalition, die von der FrP toleriert wurde, bildet nun die AP von Jens Stoltenberg mit Linkssozialisten und Zentrum die Regierung.

Aber wogegen protestieren die 4,6 Millionen Norweger? Denn seit in den siebziger Jahren vor der norwegischen Küste riesige Mengen an Erdöl und Erdgas entdeckt wurden, gehört die einstige Fischer- und Bauernnation zu den reichsten Ländern der Welt. Das Wirtschaftswachstum liegt bei vier Prozent und die Arbeitslosigkeit nur bei 4,7 Prozent. 152 Milliarden Euro aus Öl-Einkünften lagern in einem staatlichen Ölfonds, der die Versorgung künftiger Generationen sichern soll. Die Zinsen werden schon heute ins Wohlfahrtssystem investiert.

Das reicht nicht aus, kritisiert Hagen und spricht damit speziell den "einfachen Leuten" aus dem Herzen. Die Norweger zahlen hohe Steuern, die Renten sind niedrig, die Benzinpreise hingegen auf Weltrekordniveau. Die häufig veralteten Krankenhäuser werden von allgegenwärtigen staatlichen Bürokratismen gelähmt. Das erklärt die Forderungen Hagens nach Steuersenkungen, Subventionsabbau, Privatisierungen von Staatseigentum und Auflösung des Ölfonds.

Auch wenn die neue Linksregierung den Wohlfahrtsstaat sozialdemokratischer Prägung einstweilen am Leben erhalten will, ist ihr Scheitern auf längere Sicht vorprogrammiert - denn ohne Griff in die Ölmilliarden sind die Versprechungen nicht bezahlbar. Doch eine bürgerliche Mehrheit ist ohne die FrP ist nicht in Sicht.

So mehren sich die Anzeichen, daß die konservative Høyre und die Christliche Volkspartei auf Tuchfühlung zu Hagens Partei gehen, die sich mittlerweile als fester Bestandteil des nationalen Parteiensystems etabliert hat. Eine Diskriminierung dieser - nach eigener Definition "neoliberalen Rechtspartei"-, wie sie in Deutschland stattfände, gibt es nicht. Dabei thematisieren Hagens Anhänger sehr wohl die Gefahren einer multikulturellen Gesellschaft sowie der wachsenden Ausländerkriminalität, wenn auch seit einigen Jahren weniger lautstark als früher.

Auch Anders Lange, der einst Hitler und Mussolini für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen haben soll, später die Apartheid in Südafrika verteidigte und die FrP 1973 als Anders-Lange-Partei (ALP) gründete, gerät immer mehr in Vergessenheit, seit er vor 32 Jahren starb.

Nach der nun obsoleten Tolerierung im Osloer Storting steht jetzt die Frage nach einer offenen Zusammenarbeit auf der Tagesordnung, um für die Zukunft eine strategische Mehrheit für die Mitte-Rechts-Parteien zu schaffen und so mittelfristig den "Vormundsstaat" sozialdemokratischer Prägung abzuschaffen. Vielleicht wird das einfacher, wenn der in den Medien auch als "König Carl" bezeichnete, übermächtig erscheinende Hagen seine Ankündigung wahr macht und 2006 vom Vorsitz der Fortschrittspartei zurücktritt. Mit der 36jährigen Siv Jensen steht auch schon eine respektable Nachfolgerin bereit.


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