© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/05 23. September 2005

Konservativer Hanseat
Hans Blunck als Klischee
Markus Ziemann

Eine literaturwissenschaftlichen wie zeithistorischen Standards genügende Biographie über den Schriftsteller Hans Friedrich Blunck hätte man gern. Der US-amerikanische Historiker W. Scott Hoerle hat sie uns leider nicht geliefert. Der Verlag dürfte das Manuskript ähnlich beurteilt haben, denn er hielt es keiner Übersetzung für wert. So kommt der englische Text unter dem wenig Gutes verheißenden Untertitel "Poet und Nazi Collaborator" auf den deutschen Markt.

Dabei standen die Aussichten des Verfassers nicht schlecht, ein fundiertes Werk über Blunck zu liefern und sich damit wohltuend abzuheben von der einem moralisierenden Exzeß ähnelnden Biographie über Hanns Johst (JF 36/04), dessen Nachfolger im Amt des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer (RSK). Denn Hoerle war der riesige Nachlaß des national-konservativen Dichters, zu dessen bekanntesten Werken Nacherzählungen von Sagen und Märchen aus dem niederdeutschen Raum zählen, in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel zugänglich. Also Materialmassen, die, wie Spötter meinen, aufgetürmt die höchste Erhebung im nordelbischen Flachland ergäben. Vor allem die Korrespondenzen aus Bluncks kurzer Amtszeit als Präsident von Goebbels' Gnaden, von 1933 bis zum Herbst 1935, hätten ein abgewogeneres Urteil erwarten lassen als das Etikett "Nazi Collaborator".

Mit einer solchen Vorgabe steuert der Autor auf weltanschauliche Übereinstimmungen zwischen dem Konservatismus des Hanseaten und der NS-Ideologie zu. So bleibt unklar, daß Blunck letztlich "gegangen wurde", weil ihm die "Säuberung" der Reichsschriftumskammer von "Nichtariern" nicht nur nicht gelungen war, sondern weil er in völliger Verkennung der NS-Judenpolitik an "national zuverlässigen" jüdischen Schriftstellern festhielt. In Jan-Pieter Barbians Standardwerk über die "Literaturpolitik im 'Dritten Reich'" (1993), das Hoerle nicht benutzte, ist das nachzulesen. Schade auch, daß der Verfasser den Graben zuschüttet, der Bluncks regionalistisches Verständnis von Kulturpolitik vom nationalsozialistischen Zentralismus trennte.

W. Scott Hoerle: Hans Friedrich Blunck. Poet and Nazi Collaborator, 1888-1961. Verlag Peter Lang, Bern 2003, 271 Seiten, broschiert, 47,30 Euro


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