© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/05 30. September 2005

Eine rot-bunte Truppe
Bundestag: Die Fraktion der Linkspartei ist ein wilde Mischung aus alten West-Linken und SED-Kadern / Stasivorwürfe gegen Abgeordnete
Josef Hämmerling

Gut 16 Jahre nach dem Fall der Mauer ist das noch vor kurzem für unmöglich Gehaltene wahr geworden: Unter dem neuen Namen Linkspartei ist die SED mit 54 Abgeordneten wieder in den 16. Deutschen Bundestag eingezogen. Und mit ihr ein buntes Mischmasch aus früheren Stasispitzeln und DKP-Mitgliedern. Interessant ist auch folgendes: Obwohl die Linkspartei in Mitteldeutschland 25 Prozent der Stimmen holte und im Westen nur 4,9 Prozent, kommen 24 Fraktionsmitglieder aus den neuen und 30 aus den alten Bundesländern.

Den größten Schlag gegen den politischen Anstand und die demokratische Kultur stellen aber die zahlreichen Stasispitzel und hochrangigen Helfer der DDR-Diktatur in der Fraktion der Linkspartei dar. Einer Ausarbeitung des ZDF-Magazins "Frontal21" zufolge wurden mindestens elf Kandidaten dieser Partei in den Stasi-Unterlagen als Inoffizielle Mitarbeiter oder Agenten geführt. Und laut der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, sind auch mehrere von ihnen in den Bundestag gewählt worden.

Wie etwa der in Westdeutschland geborene Liedermacher Jörg-Diether Dehm-Desoi (JF 38/05), der sich selbst als "marxistischen Sozialdemokraten" einordnet und laut einer Entscheidung des Frankfurter Landgerichts als "Stasi-Informant" bezeichnet werden darf. Oder der 54 Jahre alte Berliner Diplom-Germanist Ilja Seifert, der 1974 der SED beitrat. Nicht zu vergessen PDS-Parteichef Lothar Bisky, der für die Staatssicherheit Berichte von Auslandsreisen verfaßte, die er als DDR-Wissenschaftler unternehmen durfte. Und obwohl Gregor Gysi nach Urteil eines Hamburger Gerichts nicht als "IM Notar" bezeichnet werden darf, ist Birthler nach wie vor fest davon überzeugt, daß auch der inzwischen zum deutschen Vorzeigelinken avancierte Gysi für die Stasi arbeitete.

Viele der Fraktionsmitglieder der Linkspartei haben eine eindeutig kommunistische Vergangenheit. Die gebürtige Schwerinerin Heidrun Bluhm etwa war bereits seit ihrem 18. Lebensjahr in zahlreichen Funktionen für den SED-Staat tätig, und zwar von 1976 bis 1981 als Mitarbeiterin der FDJ-Kreisleitung, von 1981 bis 1988 als Lehrerin für Marxismus-Leninismus in der Bezirksgewerkschaftsschule des FDGB und bis 1990 als Lehrerin für Marxismus-Leninismus am Institut des Zentralkomitees der SED Schwerin.

Besonders interessant ist auch die Biographie der Schlosserin Eva Bulling-Schröter, die schon von 1994 bis 1998 für die PDS im Bundestag saß. Damals gab sie in ihrer offiziellen Bundestagsbiographie noch zu, von 1974 bis 1990 Mitglied der DKP und dort in zahlreichen Ehrenämtern tätig gewesen zu sein. In ihrer jetzigen Biographie steht nur noch: "seit 1974 politisch aktiv". Kein Hinweis mehr auf ihre Mitgliedschaft in der DKP oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), einer der radikal-linksextremistischsten Organisationen Deutschlands, die auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Eine sehr seltsame Rolle spielte auch die frühere Fernseh-Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks Lukrezia (Luc) Jochimsen. So machte sie laut der Zeitschrift Das Parlament (angeblich) "ahnungslos gelenkt die DDR zu einem reinen Frauenparadies und empfahl sich für weitere Aufträge". Nicht zu vergessen Ulla Jelpke, die für die kommunistische Zeitung Junge Welt arbeitet und auch in der Antifa sehr aktiv ist.

So ist es dann auch kein Wunder, daß sich die Stimmen derjenigen mehren, die eine Überprüfung der Linkspartei-Abgeordneten auf eine frühere Stasitätigkeit hin fordern. Neben Birthler sprach sich auch ihr Vorgänger Joachim Gauck ebenso wie die jetzige (parteilose) Kulturstaatsministerin Christina Weiss dafür aus. Unterstützt werden sie durch ehemalige DDR-Bürgerrechtler wie Freya Klier und Wolf Biermann, der es "zynisch, menscheinfeindlich und unerträglich" nannte, wenn von der Stasi geführte Mitarbeiter der SED-Diktatur Abgeordnete des Bundestags würden.

Und das könnte die erste Zerreißprobe für die Fraktion der Linkspartei werden. Roland Claus, bis 2002 Fraktionschef der PDS im Bundestag, sagte: "Wir sollten dabei nicht mitmachen", denn schließlich könne man nicht "einer Überprüfung zustimmen und dann an deren Ergebnissen herummäkeln". Auch die selbst Stasivorwürfen ausgesetzte Dagmar Enkelmann warnte vor einem solchen Vorgehen. Die Vertreter der WASG, die auf dem PDS-Ticket den Sprung in den Bundestag schafften, dagegen sehen die Sache ganz anders. "Nichts spricht dagegen, sich als Fraktion überprüfen zu lassen", sagte etwa der Saarländer Volker Schneider.

Gregor Gysi lehnte eine Pflichtüberprüfung der Abgeordneten der Linkspartei jedoch ab. Eine Sondervorschrift für seine Fraktion werde er "garantiert nicht" annehmen. Und Wahlkampfchef Bodo Ramelow forderte sogar Vergebung für diejenigen, die sich offen zu ihrer Geschichte bekennen: "Wenn jemand alles sagt, muß auch irgendwann mal gut sein."

Foto: Fraktionsvorsitzende Gysi und Lafontaine mit Parteichef Bisky (v.l.n.r.): Brisante Biographien


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