© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/05 30. September 2005

Jeder Schatten eine Vorahnung
Fünfzig Jahre danach: Mußte James Dean sterben, damit seine Legende leben kann?
Silke Lührmann

James Deans Spätwerk - die Vorstellung ist schlichtweg absurd. Hätte er sein Leben lang den "Rebel Without a Cause" gespielt, verkrachte Existenzen, die mit vierzig immer noch nicht wissen, was sie tun? Wäre er im Alter fett und wunderlich geworden wie sein Zeitgenosse Marlon Brando? Hätte er das hautenge weiße T-Shirt gegen eine Strickjacke eingetauscht und sich auf kauzige Witwer kapriziert? Ab und an - sei es nur aus Geldmangel - einen Gastauftritt in einem Hollywood-Melodram über die 1950er absolviert: als gestrenger Paterfamilias etwa, der (zwinker, zwinker) nicht versteht, wofür und wogegen die undankbare Brut aufbegehrt?

Heute wäre Dean 74 - hätte ihm nicht am 30. September 1955 auf dem Weg zu einem Autorennen ein entgegenkommender Wagen die Vorfahrt genommen. Einer, der mit 24 gestorben ist, so ähnlich sagte es Walter Benjamin, erscheint "dem Eingedenken an jedem Punkt seines Lebens" als eine tragische, allzu früh dem Tode geweihte Figur.

Die Schwarzweiß-Fotografien, die derzeit in der Berliner Galerie Camera Work zur Schau und - für etliche Tausend Euro das Stück - auch zum Verkauf stehen, entstanden 1954/55 in New York und Deans Heimatstaat Indiana für die Zeitschrift Life. Uns Nachgeborenen zeigen sie einen Mann, der sterben muß, damit die Legende leben kann: jeder Schatten, der auf sein Gesicht fällt, ein Vorbote, jede Denkerpose eine dunkle Ahnung, jede lässig im Mundwinkel drapierte Kippe seine letzte, jedes Schäkern ein Tanz auf dem Vulkan.

Gönnen wir ihm, der hier, halb geblendet von der eigenen Ausstrahlung, der Kamera schöne Augen macht wie Narziß seiner Pfütze, den harmlosen Flirt mit der Unsterblichkeit, ohne indes den Göttern ihre Rache zu missgönnen!

Die Ausstellung ist noch bis zum 3. Oktober in der Berliner Galerie Camera Work, Kantstraße 149, zu sehen. Tel: 030 / 31 00 77-3

James Dean, in seinem Todesjahr 1955 fotografiert von Phil Stern: Er feierte sein Kameradebüt in einer Pepsi-Reklame, spielte Theater am Broadway sowie Hauptrollen in den Filmen "Jenseits von Eden" (1954), "... denn sie wissen nicht, was sie tun" (1955) und "Giganten" (1955), bevor er mit 24 tödlich verunglückte


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