© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Im grünen Herz jetzt ganz rot
Steiermark: SPÖ-Sieg bei Landtagswahlen / KPÖ zog Protestwähler an / FPÖ und BZÖ gescheitert
Michael Howanietz / Jörg Fischer

Weder Inserate der "Aktion gegen eine kommunistische Steiermark" noch die Warnungen vor "ideologischem Gift", "Verstaatlichung", "Enteignung" und einer rot-dunkelroten "Alptraumhochzeit" haben gewirkt. Der prognostizierte Erdrutsch ist im "grünen Herzen" Österreichs abgegangen: Die ÖVP verlor mit 38,7 Prozent (-8,6 Prozent) erstmals seit 1945 ihre Mehrheit an die SPÖ, die im Vergleich zu 2000 um 9,4 auf 41,7 Prozent zulegte. Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) kann hingegen mit 6,3 Prozent erstmals seit 1970 wieder in einen Landtag einziehen.

Dafür sind die Freiheitlichen zum ersten Mal seit 1988 nicht mehr in allen neun österreichischen Landtagen vertreten: Weder für die "Alt"-FPÖ (4,6 Prozent/-7,8) noch für das von Jörg Haider neu gegründete Bündnis Zukunft Österreichs (BZÖ/1,7 Prozent) reichte es zum Einzug in den Grazer Landtag. Die Grünen mußten mit 4,7 Prozent (-0,9) erstmals seit 1999 Verluste bei einer Landtagswahl hinnehmen. Nur durch den Gewinn eines Grundmandats in der Landeshauptstadt Graz (über 5,55 Prozent) konnten sie ihre drei Landtagssitze halten. Der FPÖ fehlten in Graz hingegen etwa 700 Stimmen für ein Grundmandat. Die von der ÖVP abgespaltene Liste Hirschmann fand mit zwei Prozent kaum Beachtung.

Das in ihrer Spitzenkandidatin Waltraud Klasnic personifizierte ÖVP-Debakel ist ein politisches Beben, dessen Ausläufer auch Wolfgang Schüssels Schreibtisch im Wiener Bundeskanzleramt erzittern lassen werden. Fest steht, daß die ÖVP binnen weniger Jahre nach Salzburg die zweite Hochburg und die Mehrheit im (eher machtlosen) Bundesrat verspielte. Da mag es den gewieften Taktiker Schüssel kaum trösten, daß seine versuchte Blockade der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei viel Beifall gefunden hat.

Die rot-rot-grüne Mehrheit ist aber weniger der eigenen Stärke als vor allem dem Versagen konservativer Regional- und Bundespolitiker zuzuschreiben. Der FPÖ macht unverändert das Glaubwürdigkeitsdefizit zu schaffen, das Jörg Haider seiner Ex-Partei hinterlassen hat. Dem FPÖ-Spitzenkandidaten und bisherigen Landeshauptmann-Vize Leopold Schöggl gelang es nicht, innerhalb weniger Monate ein zugkräftiges, eigenständiges Profil zu entwickeln. Das BZÖ zog zudem zwar wenige, aber letztlich entscheidende Stimmen auf sich.

Der Absturz der ÖVP ist durch eine Vielzahl peinlicher Affären wie die gescheiterte Wiederbelebung der Formel-1-Rennstrecke in Zeltweg oder das Subventions-Fiasko um den Tierpark Herberstein mit zu erklären. Der Bonus der "Landesmutter" konnte manch schiefe Optik nicht mehr geraderücken. Zudem kostete der ÖVP-Dissident Gerhard Hirschmann seine Ex-Partei erheblich mehr Stimmen, als er selbst einfahren konnte. Die SPÖ machte hingegen alles richtig: Mit dem 52jährigen Franz Voves - Sohn eines KPÖ-Betriebsrates, bis 1977 Mittelstürmer der österreichischen Eishockey-Nationalmannschaft und des ATSE Graz, später Finanzvorstand einer Versicherung - setzte sie auf einen moderaten "bürgerlichen" Spitzenkandidaten.

Die KPÖ bediente indes - ähnlich wie die deutsche Linkspartei - vor allem soziale Protestwähler, die einst SPÖ, FPÖ, ÖVP oder gar nicht gewählt hatten. Vorzeigekandidat à la Oskar Lafontaine oder Gregor Gysi war der Grazer Wohnbaustadtrat Ernest Kaltenegger. Hammer und Sichel waren allerdings erst auf den zweiten Blick zu erkennen. Die KPÖ verkaufte sich als Partei der "einfachen Leute" und aller "Benachteiligten", was ihr nicht nur von manchen Linksintellektuellen, sondern auch von der KPÖ-Führung in Wien als "Populismus" angekreidet wurde. Der KPÖ-Wahlkampf war vergleichsweise unaufgeregt und fast ideologiefrei.

Kommendes Wochenende sind die Landtagswahlen im Burgenland, hier dürfte erneut die SPÖ die Nase vorn haben. Die FPÖ muß wieder zittern - allerdings ist im kleinsten Bundesland die KPÖ noch völlig bedeutungslos. Der Existenzfrage für die FPÖ stellt sich aber erst am 23. Oktober in Wien: Hier ist der neue FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Spitzenkandidat.

Foto: SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer mit Spitzenkandidat Franz Voves: ÖVP erstmals nur noch zweite Kraft


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