© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Frisch gepresst

Todesgrenze. Natürlich war die "Staatsgrenze der DDR" auch die Außengrenze der Warschauer-Pakt-Staaten, und sicher war die DDR-Führung nicht nur bei der "Verteidigung dieser Grenze" immer an Weisungen aus Moskau gebunden. Das Werk des stellvertretenden Ministers und Chefs der DDR-Grenztruppen Klaus-Dieter Baumgarten und des Leiters des Lehrstuhls "Taktik der Grenztruppen" an der Militärakademie "Friedrich Engels" Peter Freitag nutzt ebenso natürlich dieses Faktum, um sich aller Verantwortung für die sichtbarste Dokumentation eines moralisch bankrotten Regimes zu entledigen. Zudem wollen sie auch einen Beitrag dazu leisten, daß jene, "die über die Unverletzlichkeit wachten" und über dabei en passant tausend eigene Staatsbürger erschossen, nicht weiter "kriminalisiert" werden. Schließlich habe man "einen wesentlichen Beitrag dafür geleistet, daß aus dem Kalten kein Dritter Weltkrieg wurde". Neben der aus Nürnberger NS-Denkschriften zu beobachtenden Uneinsichtigkeit gepaart mit übergroßem Selbstmitleid bietet Baumgartens und Freitags Aufsatzwerk dennoch aufschlußreiche Einblicke in das sogar mit volkswirtschaftlich meßbarem Aufwand konstruierte Grenz-System (Die Grenzen der DDR. Geschichte, Fakten, Hintergründe. Edition Ost, Berlin 2005, 448 Seiten, broschiert, 16,90 Euro).

 

Himmlers Tod. Zwei Autodidakten, eine Idee. Der US-Amerikaner Joseph Bellinger und der Brite Martin Allen, beide außerhalb der Historikerzunft aktiv, behaupten, daß Heinrich Himmler kurz nach seiner Gefangennahme sich nicht durch den Biß auf seine Zyankalikapsel selbst entleibte, sondern vom britischen Geheimdienst ermordet wurde. Denn Churchill habe gefürchtet, in einem Prozeß gegen den obersten Polizisten des Dritten Reiches könnten ihn kompromittierende Details über geheim geführte "Friedensverhandlungen" mit dem Organisator der "Endlösung" ans Licht kommen. Allen stützt die Mordthese auf Quellenfunde im Londoner Public Record Office, die aber inzwischen unter Fälschungsverdacht stehen (JF 30/05). Bellinger hingegen ist um einen Indizienbeweis bemüht. Wie beim Tod von Lady Di oder der Ermordung John F. Kennedys kommt ihm entgegen, daß man nach Anhaltspunkten für "alternative" Deutungen in solchen "Fällen" nicht lange suchen muß. Daß Himmler ermordet wurde, scheint schon deshalb wahrscheinlich, weil das Tatmuster zum "Tätertyp", der britischen Regierung paßt, die, wie die Liquidierung Heydrichs oder Sikorskis zeigt, nie Hemmungen kannte, nach Unterweltmanier zu verfahren. Gleichwohl ist Bellingers Beweisführung anfechtbar, überzeugt vor allem das von ihm unterstellte Tatmotiv der Verschleierung von Geheimkontakten nicht (Himmlers Tod. Freitod oder Mord? Die letzten Tage des Reichsführers-SS, Arndt Verlag, Kiel 2005, 382 Seiten, Abbildungen, gebunden, 25,80 Euro).


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