© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/05 07. Oktober 2005

Frisch gepresst

Relativismus. Anders als der vielzitierte US-amerikanische Politologe Samuel Huntington verortet Joseph Kardinal Ratzinger die Bruchlinie zwischen den Zivilisationen nicht auf der Ebene der Religion, sondern zwischen den "religiösen Kulturen", die "immer schon im Ringen miteinander standen", und dem Relativismus der westlichen Welt, dessen intolerante Entartung auf dem Weg zur "Überkonfession" die Political Correctness ist. Zusammen mit dem italienischen Senatspräsidenten Marcello Pera, dessen ähnliche Haltung die beiden Referenten nach einer "Lectio magistralis" in der Päpstlichen Lateranuniversität im Mai 2004 entdeckten, was sie zu diesem Buchprojekt animierte, beklagt Ratzinger die "moralische Beliebigkeit", die beide in einer "Emanzipation von Gott" begründet sehen. Dieser Abkehr zuträglich sei eine schwache Position der Rechtfertigung, in die das Christentum gedrängt wurde, da "sein Lebensmodell nicht mehr überzeugt" und es "von der Wissenschaft überholt zu sein scheint". Deshalb gelte es, diesen Argumenten mit eigenen Sinnaussagen und der Frage nach dem Logos als Voraussetzung für die Vernunft zu begegnen. Gut, daß die Wahl Ratzingers zum Papst diesem Werk eine erhöhte Aufmerksamkeit sichern wird (Ohne Wurzeln. Der Relativismus und die Krise der europäischen Kulturen. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2005, 157 Seiten, gebunden, 16,90 Euro).

 

Oligarchen. Wer Einblick in den russischen Wirtschaftsdschungel erhalten möchte und ergründen will, warum immer mehr "Neue Russen" exklusive Orte wie Karlsbad, Baden-Baden oder Saint Tropez bevölkern, sollte das Buch von Dominic Midgley und Chris Hutchins lesen. Anhand der Biographie von Roman Abramowitsch wird der unbegreifliche Erfolg eines Vollwaisen, der es unter die reichsten Männern der Welt gebracht hat, im postkommunistischen Raubtierkapitalismus nachgezeichnet - einer Zeit der "Privatisierung", die in Wirklichkeit zur Selbstbedienung der Nomenklatur geriet. Die enge Beziehung des jungen Ölmagnaten Abramowitsch zur Politik Jelzins katapultierte diesen in die Riege der Superreichen. Als solcher konnte Abramowitsch durch den Kauf des Londoner Fußballclubs Chelsea nicht nur sein sportliches Faible ausleben, sondern auch noch an Popularität gewinnen (Der Milliardär aus dem Nichts - Roman Abramowitsch. Murmann Verlag, Hamburg 2005, 320 Seiten, Abbildungen, broschiert, 19,90 Euro).


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