© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

Eliten fallen weich
von Ekkehard Schultz

Seit Beginn der fünfziger Jahre beklagten Verbände der NS-Opfer in der Bundesrepublik regelmäßig die Anerkennung der hohen Rentenansprüche eines großen Teils der NS-Funktionseliten. Wer im Dritten Reich zwar nicht als politisches Führungspersonal gedient hatte, aber nach 1933 auffallend schnell in Positionen aufgestiegen war, die eine große Systemnähe voraussetzten, konnte sich - sofern nicht wegen der Teilnahme an staatlich organisierten Verbrechen verurteilt - wenige Jahre nach 1945 über einen durchweg gut abgesicherten Lebensabend freuen. Viele überlebende NS-Opfer mußten dagegen in dieser Zeit ein in jeder Hinsicht kärgliches Dasein fristen.

Anstatt aus diesen Erfahrungen zu lernen, verfährt die heutige Bundesrepublik Deutschland bei der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit nach dem gleichen Konzept. Während ein großer Teil der DDR-Opfer von Niedrigstbezügen lebt oder sogar auf Sozialhilfe angewiesen ist, entschied am vergangenen Freitag ein Sozialgericht - nach den Grundsätzen einer im Mai vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesänderung -, daß die Sonderansprüche eines DDR-Funktionärs berechtigt seien. Ihm steht nun eine Nachzahlung in Höhe von etwa 25.000 Euro sowie eine Erhöhung seiner Monatsrente zu. Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß Tausende weiterer ehemaliger DDR-Kader gleichfalls ihre "Ansprüche" beim einstigen "Klassenfeind" geltend machen werden. Und was ist daraus zu lernen? Auch Eliten in Unrechtssystemen fallen fast immer weich.


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