© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

BRIEF AUS BRÜSSEL
Kroatien nicht an die Türkei koppeln
Andreas Mölzer

Bei ihrem Treffen in Luxemburg haben die EU-Außenminister beschlossen, nicht nur mit der Türkei, sondern auch mit Kroatien Beitrittsgespräche aufzunehmen. Österreich, das sich nach außen hin bis zur letzten Minute gegen Beitrittsgespräche mit Ankara gestemmt hat, wurde mit dem Ja der EU zu Kroatien umgestimmt. Auch die Drohungen der USA, daß Österreich "seinen Preis zu zahlen habe", wenn es den US-Vasallen Türkei "quält", sollen den Meinungsumschwung Wiens beschleunigt haben.

Die Zustimmung zu Beitrittsgesprächen mit Kroatien war also weniger von der späten Einsicht einer abgehobenen Politikerkaste, daß dieses mitteleuropäische Land seinen Platz in der EU haben müsse, denn von kühl-taktischen Gründen geprägt. Dennoch hat der Ausgang des orientalischen Basargefeilsches die - zuletzt wegen der Brüskierung durch Brüsseler Eurokratie gesunkene - Zustimmung zur EU wieder in lichte Höhen ansteigen lassen. Führende kroatische Politiker hoffen, daß ihr Land schon 2008 als gleichberechtigtes Mitglied in Brüssel seinen Platz einnehmen wird.

Die Herabstufung Kroatiens zur bloßen Verhandlungsmasse beim Luxemburger Außenministertreffen läßt weder für Agram, noch für die EU Gutes für die Zukunft erahnen. Vielmehr ist zu befürchten, daß dieses Beispiel Schule machen könnte, wenn die Beitrittsgespräche mit Ankara nicht nach den Vorstellungen der Türken-Lobby ablaufen. Wenn die Beitrittsverhandlungen wegen der unzähligen Probleme der Türkei - von den Verstößen gegen elementare Menschenrechte angefangen bis hin zum Wiederaufflackern der bürgerkriegsähnlichen Zustände in den Kurdengebieten - ins Stocken geraten, könnte Kroatien zum Faustpfand der Türkenfreunde werden.

Genausowenig, wie die europareifen Kroaten in Geiselhaft der orientalischen Türken genommen werden dürfen, darf der EU-Beitritt Kroatiens zum Anlaß genommen werden, den Türkei-Beitritt im Schnellverfahren durchzudrücken. Wie die EU-Erweiterung im Mai 2004 um zehn Staaten, die unterschiedlicher nicht sein können, zeigt, gibt es auch für dieses Szenario einen Präzedenzfall. Wirtschaftlich gut entwickelte Länder wie Ungarn wurden mit Ländern wie Polen, die einen riesigen Rucksack an wirtschaftlichen Problemen mit sich herumschleppen, in einen Topf geworfen.

Daß Staaten wie Tschechien oder Slowenien, in deren Rechtsordnungen völkerrechtswidrige Vertreibungsgesetze wie die Benes-Dekrete oder die Avnoj-Beschlüsse weiterhin Gültigkeit haben, anstandslos aufgenommen wurden, wirft ein bezeichnendes Licht auf die "europäische Wertegemeinschaft". Weil dem noch nicht genug ist, sollen Anfang 2007 auch noch Rumänien und Bulgarien, zwei Länder, deren Wirtschaft und Rechtsstaatlichkeit alles andere als auf EU-Niveau liegend bezeichnet werden darf, folgen.

Die Türkei setzt indessen als "Dank" für den Verhandlungsbeginn ihre Provokationen gen Brüssel fort. Sein Land sehe "keinen Grund zur Eile", das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen, erklärte Türkenpremier Erdogan überheblich im Fernsehen. Daß sich Erweiterungskommissar Olli Rehn in dieser Situation nicht anders zu helfen wußte, als die Türken zur "unverzüglichen" Anerkennung der Inselrepublik aufzufordern, rundet das jämmerliche Bild, das die EU bietet, nur ab.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen