© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/05 14. Oktober 2005

Die Vertreibung der Deutschen / Böhmen und Mähren

Unmittelbar am Kriegsende und nach der Besetzung des Landes durch sowjetische Truppen begann die Vertreibung der Deutschen aus Böhmen und Mähren. Mit "wilden" Vertreibungen, die mit zahlreichen Exzessen, Massenerschießungen und Mißhandlungen einhergingen, sollten bereits vor der Erörterung dieser Frage auf der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte vollendete Tatsachen geschaffen werden. So wurde etwa in Brünn vom dortigen Nationalausschuß innerhalb weniger Stunden die deutsche Bevölkerung zusammengefaßt und unter ständigen Mißhandlungen zur österreichischen Grenze getrieben. Ein ähnliches Schicksal erlebte auch die deutsche Bevölkerung von Saaz und Komotau, die zur sächsischen Grenze getrieben wurde, ebenso in Aussig, nachdem die Deutschen kollektiv beschuldigt wurden, einen Anschlag auf ein städtisches Werk unternommen zu haben.

Grundsätzlich wurden alle arbeitsfähigen deutschen Männer und Soldaten in Lagern versammelt und zur Zwangsarbeit eingeteilt; teilweise in ehemaligen NS-Konzentrationslagern wie Theresienstadt. Darunter befanden sich auch zahlreiche sudetendeutsche Sozialdemokraten und andere NS-Gegner sowie aus dem Sudetengebiet stammende deutschsprachige Juden.

Nachdem etwa 750.000 Sudetendeutsche von Mai bis Ende Juni 1945 nach Deutschland und Österreich "wild" vertrieben worden waren, begann die Phase der sogenannten "gesetzlich organisierten" Vertreibungen. Die Grundlagen bildeten zunächst das Benes-Dekret vom 21. Juni 1945, welches die Konfiskation des landwirtschaftlichen Vermögens von Deutschen, Madjaren und "Verrätern" anordnete, die Regelungen des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945, wonach eine "Überführung" der Deutschen "in humanitärer Weise" erfolgen sollte, sowie das Benes-Dekret vom 25. Oktober 1945 über die entschädigungslose Enteignung des gesamten deutschen Eigentums. Ausgenommen von letzterer Regelung waren laut Gesetz lediglich "Antifaschisten", die zwar das Land ebenso verlassen mußten, jedoch zumindest den größten Teil ihres beweglichen Besitzes mitnehmen durften. Von ihnen gelangten bis 1947 83.000 in westliche Besatzungszonen und 30.000 in die sowjetische Besatzungszone.

Von August bis Dezember 1945 wurden aus der Tschechoslowakei etwa 70.000 Deutsche vertrieben. Der größte Teil der Deutschen gelangte vom 19. Januar 1946 bis 27. November 1946 per Transport in Viehwaggons über die Grenze: 750.000 Vertriebene in die SBZ und mehr als 1,2 Millionen in die amerikanische Zone. Weit über 200.000 Deutsche überlebten die Vertreibungen nicht.

Etwa 500.000 deutsche Facharbeiter verblieben zunächst in der Tschechoslowakei. Der größte Teil von ihnen verließ bis 1948 das Land, ein kleiner Rest von ihnen konnte im Land bleiben. Von der einst 3,3 Millionen zählenden deutschen Volksgruppe wurden 1950 lediglich noch 200.000 Deutsche in Böhmen und Mähren und der Slowakei registriert.


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