© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Schade um die Bruchlandung
Kino: "Flightplan - Ohne jede Spur" mit Jodie Foster erweist sich als Luftnummer
Michael Insel

Eingepfercht in einer klaustrophobischen Metallröhre in zehntausend Metern Höhe durch die Luft zu rasen - selbst dem Tapfersten muß dabei ein wenig mulmig werden. Billigen Urlaubsreisen und globalen Geschäftsterminen zuliebe verdrängt man solche Ängste wohl oder übel, doch spätestens seit dem 11. September 2001 erscheint jeder Flug als russisches Roulette , jeder Mitpassagier als Bedrohung. Aus ebendieser Paranoia hat Robert Schwendtke nun einen packenden, wenn auch in der Schlußphase allzu offensichtlich konstruierten Thriller gestrickt. "Flightplan - Ohne jede Spur" ist der dritte Film des deutschen Regisseurs und seine erste Produktion für ein großes Hollywood-Studio.

Als Flugzeug-Ingenieurin weiß Kyle Pratt (Jodie Foster) besser als die meisten Flugreisenden, welche technischen Kniffe nötig sind, um die Schwerkraft auszutricksen. Gemeinsam mit ihrer sechsjährigen Tochter Julia (Marlene Lawson) tritt sie eine mehr als unschöne Reise an, um die Leiche ihres Mannes von Berlin nach New York zu überführen. Laut Obduktionsbericht sprang David vom Dach ihres Berliner Wohnhauses - die trauernde Kyle ist jedoch überzeugt, daß Gewalt im Spiel war.

Als Kyle auf halber Flugstrecke aus tiefem Schlaf erwacht, ist ihre Tochter verschwunden. Zunächst gelingt es ihr noch, Ruhe zu bewahren - bis sie entdeckt, daß Julias Rucksack sich nicht mehr im Gepäckfach befindet. Auf ihr Flehen hin helfen die Stewardessen und der bewaffnete Air Marshall (Peter Sarsgaard), der seit dem 11. September alle Passagierflüge über US-amerikanischem Territorium begleitet, der nun hysterischen Mutter bei der Suche.

Kyle jedoch ist mit den halbherzigen Bemühungen nicht zufrieden und wendet sich an den Captain höchstpersönlich (Sean Bean). Bei der erhitzten Debatte in der Bordküche erfährt sie, daß die Skepsis der Besatzung einen guten Grund hat: Keiner der anderen Fluggäste kann sich erinnern, das vermißte Mädchen überhaupt an Bord gesehen zu haben. Auch auf der Passagierliste ist ihr Name nicht aufgeführt.

Liebhaber der Gattung sind grundsätzlich durchaus gewillt, an abstruseste Verschwörungstheorien und notfalls auch an außerirdische Intervention - wie letztes Jahr in "Die Vergessenen" mit Julianne Moore - zu glauben, um derartige Phänomene zu erklären. Als der Flugkapitän jedoch aus Berlin die Information bekommt, Julia sei mit ihrem Vater gestorben, kommen Kyle selbst wie auch dem Kinopublikum Zweifel an ihrer Geistesverfassung: Leidet sie aus Trauer um Mann und Tochter unter Einbildungen, oder sind hier doch böse Mächte am Werk?

So weit, so spannend. In den ersten sechzig Minuten enthält "Flightplan" alle Elemente jenes Genres, das Altmeister Alfred Hitchcock - zu dessen "Eine Dame verschwindet" (1938) dieser Film einige ausgeprägte Ähnlichkeiten aufweist - als "Kühlschrank-Film" zu bezeichnen pflegte: Erst wenn er sich hinterher ein Betthupferl aus dem Kühlschrank holt, merkt der Zuschauer, wie kunstvoll er im Zuge der verschiedenen Wendungen hinters Licht geführt worden ist.

Vom letzten Drittel läßt sich das leider nicht behaupten. Brachte Wes Craven seinen vor kurzem in die Kinos gekommenen Luft-Krimi "Red Eye" ohne Bruchlandung auf die Erde, so weist die Handlung dieses Films so große Löcher auf, daß man den mehrstöckigen Jet schier darin verschwinden sieht. Mehrere interessante Nebenhandlungen verlieren sich wie Kondensstreifen am Himmel. Das absurde Finale wäre amüsant, wäre es nicht solch eine Riesenenttäuschung!

Schade also, daß hier ein vielversprechender Ansatz vergeudet wurde, zumal Regisseur Schwendtke in seinem ersten Film, dem ebenfalls in Berlin spielenden Low-Budget-Thriller "Tattoo" (2002) durchaus Talent für die Gattung bewiesen hatte.

Vielleicht ist die Schuld jedoch nicht bei ihm allein zu suchen. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei, und diesen Film mag die tagesaktuelle Würze, die Billy Ray dem ursprünglichen Drehbuch von Peter A. Dowling auf Wunsch des Produzenten beimischte, ungenießbar gemacht haben.

An den Schauspielern jedenfalls liegt es nicht. Vor allem Foster, die fast ständig auf der Leinwand präsent ist, agiert genauso überzeugend wie schon in einer ganz ähnlichen Rolle in "Panic Room" (2002). Tatkräftige Hilfe leisten ihr Alec Hammond (Ausstattung) und Florian Ballhaus (Kamera), um den Kinobesucher die drückend beängstigende Atmosphäre an Bord des Flugzeuges hautnah mitfühlen zu lassen.

Dem kommerziellen Erfolg der Disney-Produktion haben weder ihre dramaturgischen Schwächen noch die Turbulenzen um einen Boykottaufruf dreier amerikanischer Flugbegleitergewerkschaften wegen der "negativen Darstellung" dieser Berufsgruppe geschadet: In den USA landete "Flightplan" im Steilflug an der Spitze der Kinocharts.

Foto: Julia (Lawson), Kyle (Foster): Sieht sie was, was wir nicht sehen?

 

Neu im Kino: "Stolz und Vorurteil"

Nach 1940 erst die zweite Kino-Adaption des gleichnamigen Literaturklassikers von Jane Austen (1775-1817). Die im ländlichen England des ausgehenden 18. Jahrhunderts angesiedelte Geschichte (Regie: Joe Wright) handelt von den fünf Töchtern der Familie Bennet, deren Mutter (Brenda Blethyn) bestrebt ist, alle gleichermaßen wohlversorgt unter die Haube zu bringen. Als besonders schwierig erweist sich dieses Unterfangen bei der zweitältesten Tochter Elisabeth (Keira Knightley), die sich nicht mit dem zwar vermögenden, aber überheblich wirkenden Mr. Darcy (Matthew MacFadyen) vermählen lassen will.


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