© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Leserbriefe

Zu: "Der Mut zu Großem fehlt" von Klaus Peter Krause, JF 42/05

Armutszeugnis für die Union

Dies ist ein schwarzer Tag für die Zukunft Deutschlands. Ausgerechnet die Parteien, welche die Wahl gravierend verloren haben, wollen eine Große Koalition bilden. Daß Schröder, der in sieben Jahren Deutschland fast ruiniert hat, zurücktritt, ist wohl selbstverständlich. Daß aber Frau

Merkel, die für das Wahlfiasko der CDU/CSU fast ausschließlich verantwortlich ist, nun Kanzlerin werden soll, ist paradox. Sie nämlich trägt die Schuld daran, daß es jetzt nicht zur dringend erforderlichen Wende und zu echten Reformen kommen kann. Außerdem besitzt sie nicht das Format zum Kanzler. Und daß zur Befriedigung ihres Ehrgeizes nunmehr elementare Positionen der Union in einer künftigen Regierung aufgegeben werden, ist ein Armutszeugnis für die CDU/CSU und deren Spitzenpolitiker. Gewaltige Stimmenverluste bei den kommenden Wahlen, insbesondere unter den Stammwählern, werden die Folge sein. Die derzeitige Mauschelei führt sicher zu keinem Aufschwung. Die Wirtschaftskrise wird sich verstärken, die Große Koalition wird nur von kurzer Dauer sein, und Deutschland verliert wieder einige Jahre zur Erneuerung. 

Herbert Gaiser, München

 

 

Zur Meldung "Grüne streben 'Hegemonie'' an", JF 42/05

Problematische Denkfigur

In dem Leitantrag des Bundesvorstandes der Grünen zur Delegiertenkonferenz am 15. Oktober in Oldenburg heißt es, es gehe nun darum, die Ideen der Grünen "hegemonial" zu machen. Mit einer Formulierung wie dieser begann die Auseinandersetzung zwischen der JUNGEN FREIHEIT und dem NRW-Verfassungsschutz.

Diese auf den italienischen marxistischen Philosophen Antonio Gramsci zurückgehende Denkfigur wird in einer pluralen Demokratie zu Recht als ungewöhnlich und problematisch empfunden. Sie meint jedoch nichts anderes als die hochstrittige Forderung des Bundespräsidenten Scheel 1978, jedes Verfassungsorgan sei von Verfassung wegen gehalten, bis an die äußerste Grenze seiner Kompetenz zu gehen. Dies sei eine Voraussetzung für den demokratischen Wettbewerb, der dann wiederum die Kompetenzüberschreitung verhindere.

Das führte damals zu einer erregten Debatte und einer gemeinsamen öffentlichen Diskussion zwischen Präsident, Kanzler, Bundestags- und Verfassungsgerichtspräsident in der evangelischen Akademie Tutzing. Scheel hat danach die auf seinen Präsidialamtschef Frank zurückgehende Argumentation nicht mehr wiederholt. Die jetzige grüne Bemerkung könnte Anlaß für ein Gespräch zwischen dem Prozeßbevollmächtigten der JUNGEN FREIHEIT und dem Innenminister von NRW sein, die Hegemonie-Diskussion von der Verfassungsschutzebene weg auf die politisch-akademische Ebene zu bringen. Dort kann man sie dann auch als zulässig, aber unnötig mißverständlich zu den Akten legen.

Manfred Brunner, München

 

 

Zu: "Immerhin hoch gepokert" von Peter Lattas, JF 41/03

Polen gibt Wien verloren

Wann war es? Ach ja, am 12. September 1683 standen die Türken vor Wien und wurden mit Hilfe der Polen abgewiesen. Heute stehen sie wieder vor den Toren Europas. Doch diesmal sind die Polen für den EU-Beitritt der Türkei.

Peer Knörich, Augsburg

 

 

Zu: "Pro & Contra - Mehrheitswahlrecht einführen", JF 41/05

Große Parteien wie ein Vogel

Zum zweiten Mal in der Geschichte der BRD hat eine Große Koalition die Chance, das klassische Mehrheitswahlrecht einzuführen. Nach dem aktuellen Postenschacher des Parteienstaates hat ein neues Wahlverfahren höchste Priorität. In der ersten Großen Koalition von 1966 scheiterte dies am Wortbruch der SPD. Wir brauchen das Personenwahlrecht als einfachen und transparenten Wahlgang. Erst- und Zweitstimmen, Leihstimmen, Überhangmandate, ca. vier Verrechnungsmethoden, Parteisoldaten und Listenabgeordnete, die als unbekannte Wesen durch die Hintertür in das Parlament einschleichen, wird es nicht mehr geben. Bei einem Zwei-Parteien-System brauchen die Randparteien nicht zu politischen Eunuchen zu werden. Die großen Parteien haben - wie ein Vogel - einen rechten und einen linken Flügel. Diese Ex-Parteien können sich beiden großen Parteien integrieren und dann auf den politischen Flügeln flattern.

Alfred Benkert, Aschaffenburg

 

Bewährtes Verhältniswahlrecht

Ein Mehrheitswahlrecht würde nicht nur eine "Türkenpartei" verhindern, sondern alle - ökologischen, liberalen, sozialen und nationalen - kritischen Stimmen zum Verstummen bringen. In Bayern hätte die CSU dann nicht nur die Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate (wie seit 2003), sondern die Alleinherrschaft erobert. Ein schwarzer Landtag, ohne Grüne und fast ohne Sozis. Wozu noch ein solches Parlament? In einem solchen Fall wäre ich Nichtwähler.

Das Verhältniswahlrecht hat sich bewährt. Es könnte noch demokratischer werden, etwa durch Vorzugsstimmen (wie in Österreich) und die Senkung der Sperrklausel auf 2 Prozent (wie in Dänemark). Ich habe weder Angst vor einer Türkenpartei noch vor einer NPD im Bundestag. Sollen sie ruhig an die Mikrofone treten und zu uns sprechen, damit wir uns objektiv informieren und unser Wahlverhalten entsprechend überdenken können.

Michael Krämer, Lenggries

 

 

Zu: "Reform unserer Reformfähigkeit", Interview mit Hans-Olaf Henkel, JF 40/05

Charakterschwäche erkennen

Nach dem Interview mit Hans-Olaf Henkel fühle ich mich diesem tief verbunden. Hat er doch endlich eine schlüssige Erklärung dafür geliefert, warum ich wegen meiner Zurückweisung des (bereits besiegelten) EU-Beitritts der Türkei immer ein schlechtes Gewissen hatte. Denn nun ist klar, daß diese ablehnende Haltung nur Ausdruck groben Undanks ist. Der einzige Trost in dieser schweren Stunde der Erkenntnis dieser eigenen Charakterschwäche ist, daß ich dieses Schicksal mit 78 Prozent der Deutschen und 65 Prozent aller EU-Bürger teile. Mal sehen, was Hans-Olaf Henkel einfällt, wenn demnächst die Südanrainer des Mittelmeeres Anspruch auf Aufnahme erheben. Wie sagte George Orwell: "Political language is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind".

Joachim Gröger, London

 

Mehr Konstruktivität überfällig

Seit sechs Jahren beziehe ich die JF nun im Abonnement und finde ein non-konformistisches Blatt auch weiterhin unterstützenswert. Nur manchmal frage ich mich schon, ob sich die JF nur auf die Punkte "Motzen, Jünger, Schmitt" reduzieren läßt. Auch nur eine einzige Ausgabe ohne die zwei genannten Autoren erscheint kaum vorstellbar. Allgemeine Kritik wird meist in destruktiver Weise dargebracht, so daß mehr Konstruktivität absolut überfällig erscheint.

Auch wenn die JF kein Wirtschaftsmagazin ist, so ist es mehr als erfrischend, die Analysen von Bernd Thomas Ramb und Roland Baader zu lesen, die sich nicht nur auslassen, sondern dies auch fundiert begründen und einen immer wieder zum Nachdenken bringen. Machen Sie auch weiter mit den ehemaligen FAZ-Autoren, denn diese bringen frisches Blut herein und runden Ihr Profil ab. Überhaupt ist die Sicht interessanter Gesprächspartner immer wieder einen Bereicherung, denn besonders die kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Auffassungen schärft den eigenen Blick. In diesem Sinne wünsche ich der JF auch weiterhin so interessante Gesprächspartner wie Herrn Henkel, Glotz, Bahr etc.

Gerhard Müller, Berlin

 

 

Zu: "Was von Kirchhof bleibt" von Bruno Bandulet, JF 41/05

Zu gut für den Politikbetrieb

Der finanzpolitischen Wertschätzung von Paul Kirchhof durch Bruno Bandulet kann man nur zustimmen. Wahrscheinlich ist Kirchhof sogar der einzige, der unser Steuerrecht noch versteht und zu einem konzeptionell durchdachten Befreiungsschlag fähig wäre. Was von Kirchhof aber noch viel eher bleiben müßte, jedoch gar nicht richtig zur Entfaltung kam, sind seine konsequente familienpolitische Ausrichtung, ohne die nach seinen eigenen Worten jedes noch so raffinierte Wirtschaften chancenlos ist, und seine ehrliche und in zahlreichen Vorträgen auch vor Laien überzeugende Art zu reden.

Dieser Finanzminister hätte Europa auf Deutschland neidisch gemacht und die etablierten Politiker blaß, alt und grau aussehen lassen. Aber ähnlich wie bei Steffen Heitmann sind manche einfach zu gut für den althergebrachten Politikbetrieb. Frau Merkel hat noch viel zu tun, damit die CDU versteht, daß solche konservativen "Revolutionäre" nur von gesellschaftspolitischen Debatten getragen werden könnten, wenn ihre Partei ihre konservativen Chancen auch erkennt.

Claus-Georg Pleyer, Nürnberg

 

 

Zu: "Als der Westen auf den Osten stolz war" von Helmut Matthies, JF 41/05

Vergessener staatsfreier Raum

Dankenswerterweise ruft Helmut Matthies die heute weitgehend vergessene Tatsache in Erinnerung, daß es in der DDR die Kirchen waren, die kraft des ihnen verbliebenen staatsfreien Raumes die Kristallisationspunkte für Widerstandsgruppen bildeten und damit den Weg für die Wiedervereinigung bahnten.

Friedrich Wilhelm Siebeke, Mettmann

 

Von einem Extrem ins andere

Herrn Matthies als Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur bin ich für diesen Artikel sehr dankbar. Die üblen Stellungnahmen zum Läuten der Kirchenglocken am 3. Oktober 1990 haben mich damals empört. Um so mehr war es für mich als Angehörigen der Evangelischen Kirche eine tiefe Freude, als alle Glocken der katholischen Kirchen in Koblenz um Mitternacht das seit Beginn der Teilung ersehnte Ereignis einläuteten.

Erstaunlich waren die Stellungnahmen zum Glockenläuten allerdings nicht, wenn man sich vor Augen führt, wie es seit 1945 zunehmend zu dem gekommen ist, was der evangelische Pastor Evertz den Abfall der Evangelischen Kirche vom Vaterland genannt hat. Eine der Stationen war die Mitarbeit an der Zerstörung des traditionellen deutschen Arbeitsethos in den sechziger Jahren  mit den immer wiederholten Hinweisen an die Aufbaugeneration, die Arbeit doch nicht so sehr in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen; der Weg, der in die heutige Spaßgesellschaft führte, war begonnen.

Ein Markstein war dann die unerträgliche Vertriebenen-Denkschrift des Jahres 1965 mit ihren einseitigen, unbarmherzigen Verzichtsforderungen an die Deutschen und deren ahistorischen Begründungen. Aus der Nächstenliebe, einem Kernpunkt der christlichen Lehre, wurde, wie Evertz es formuliert hat, eine Fernstenliebe. Welch weiter Weg von dem kirchlich auch nicht erfreulichen "Thron und Altar" bis 1918! Muß man denn in Deutschland immer von einem Extrem ins andere fallen?

Ernst S. von Heydebrand, Vallendar

 

 

Zu: "Opfer, Geiseln, Verräter oder Kriegsverbrecher" von Erich Kieckhoefel, JF 41/05

1,3 Millionen tote Soldaten fehlen

Auf den Tag genau vor fünfzig Jahren bin ich als Dreißigjähriger aus zehnjähriger Kriegsgefangenschaft nach Friedland heimgekehrt, in der ich am 28. Dezember 1949, viereinhalb Jahre nach Kriegsende anstelle der Todesstrafe als angeblicher Konterrevolutionär (Paragraph 58-4) zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt worden war. Zehn Jahre meines Lebens sind mir geraubt worden, die Jahre zwischen 19 und 30, die im Leben des Menschen besonders zählen.

Ich habe für eine Zeit bezahlt, in die ich hineingeboren worden bin. Als Hitler Reichskanzler wurde, war ich sieben Jahre alt, als der Krieg ausbrach, war ich gerade 14 geworden, bei Kriegsende war ich 19 (damals noch nicht volljährig) und geriet in Gefangenschaft. Ich bin der Meinung, daß unser Staat sich uns Spätheimkehrern gegenüber pflichtvergessen verhalten hat, während uns seine Bürger mit unglaublicher Herzlichkeit und Wärme empfangen haben.

Der Verfasser des Artikels erweckt im vierten Absatz mit der Gegenüberstellung von Zivilisten und Soldaten den Eindruck, als wären die verurteilten ehemaligen Soldaten eher als Kriegsverbrecher anzusehen. Der Bund deutscher Offiziere wurde wie das Nationalkomitee Freies Deutschland als Verräter empfunden, weil sie sich nach der Meinung der hungernden und verhungernden Mehrheit hatten kaufen lassen. Aber wer will nicht leben? Schuldige Menschen finden sich in allen Gruppen. Eine Kollektiv-Verurteilung gehört nicht zu unserem Rechtssystem.

Mir hat in Ihrem Artikel die Information gefehlt, daß über 1,3 Millionen deutscher Soldaten aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft nicht zurückgekehrt sind. Ich habe erlebt, wie die Kameraden morgens neben einem tot waren, in das Waschhaus gebracht und dort entkleidet und gestapelt wurden. In der Nacht wurden sie aus dem Lager gefahren und in eine Grube geschüttet.

Dieter Pfeiffer, Berlin

 

 

Zu: Leserbrief "Platz für wichtige Artikel" von Dr. Olrik Land, JF 41/05

Raum für Meinungsfreiheit

Als einer der knapp 800.000 Wähler der Nationaldemokraten darf ich auf den Leserbrief von Herrn Olrik Land antworten. Ich schlage Herrn Land vor, allen Angehörigen der unteren sozialen und niederen Bildungsschichten das Wahlrecht vorzuenthalten. Weiter sind nur jene zur Wahl zuzulassen, die zur Steigbügelhalterschaft von Unionsinteressen taugen. Christlich tradierte und wertkonservative Grundeinstellung müssen zum Fundus eines jeden Abstimmenden gehören. Es wäre doch gelacht, mit diesen und ähnlichen Maßnahmen den Spuk dieser niveaulosen Glatzen- und Schlägerpartei nicht Herr zu werden.

Da ich als Diplomingenieur und solide situierter Mensch mein Kreuzchen trotzdem dort machte, wo es Dr. Land partout nicht sehen möchte, stelle ich mich somit in die Reihen jener 99 Prozent, denen - wie oben ausgeführt - das Stimmrecht versagt werden sollte. Es ist erfreulich, werte JUNGE FREIHEIT, der Meinungsvielfalt Platz und Zeilen einzuräumen.

Manfred Theimer, Rottendorf

 

 

Zu: "Pseudo-Patriotismus aus der Retorte" von Dieter Stein, JF 40/05

Desinfiziertes Deutschlandbild

Man möchte den Machern dieser hohlen Kampagne zurufen: Ich bin niemals euer von jeglicher Nationalität desinfiziertes Deutschland! Ich verabscheue diesen von euch so stümperhaft kreierten sterilen Homunculus! Ihr Medienmacher habt bis auf seltene Ausnahmen jahrzehntelang zum Niedergang, zur Verächtlichmachung all dessen beigetragen, was deutsche Tüchtigkeit und Eigenart war. Ihr habt die deutsche Geschichte auf Versagen und Verbrechen, auf die Abartigkeit eines Sonderwegs reduziert und selbst die Begriffe Volk und Nation denunziert. Außerdem habt ihr dem Egokult und der Spaßideologie gehuldigt sowie einer utopischen Auflösung der verworfenen Nation in Europa oder einer multikulturellen Gesellschaft. Immer nur Spielwiesen und den Kopf in den Sand vor unerhört bösen "rechten" Wirklichkeiten.

Ihr Gutmenschen, Nietzsche wußte: "Der Schaden der Guten ist der größte Schaden." Nun steht ihr vor grausigen Resultaten und hofft, daß der sterbenskranke Patient Deutschland durch eure Mätzchen, durch billigste Gesundbeterei, aus seiner Agonie herausfindet. Aber Böcke können nie Gärtner werden. Ein Kind, welches im tiefen Winter Papierblumen bastelt und sie in den Schnee steckt, damit über Nacht der Frühling kommt, ist nicht törichter.

Die Nemesis des Angerichteten wird euch einholen. Erst wenn ihr abgesetzt und nicht mehr die den Ton angebenden Schwätzer und Hetzer gegen die selbstbewußte Nation seid, kann ein wirklich erneuernder Geist erblühen. Ihr habt dieses Land und Volk so tief in Dekadenz und Selbstvergessenheit geführt, daß Heilung unter eurer Ägide ein Wunder wäre. Statt euch nun als Kurpfuscher aufzuführen, schweigt besser oder bekennt, die falschen Arzneien verschrieben zu haben.

Rudolf Kraffzick, Hainau


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