© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Frisch gepresst

EU-Verfassung. Es ist kein Geheimnis, daß auch Juristen lieber das Thema wechseln, wenn über die Verfassung Europas gesprochen wird. Im Studium hat "Europarecht" auf die meisten schon abschreckend genug gewirkt, denn in kaum einem anderen Rechtsgebiet breitet sich die Öde schneller aus als dort, wo es um Brüsseler Verordnungen oder Straßburger Urteile geht. Vor diesem Erfahrungshintergrund war es nicht schwer, das Desaster zu prophezeien, das der Vertrag über die Europäische Verfassung vor kurzem bei den Volksabstimmungen in Frankreich und Holland erlebte. In Deutschland wäre es nicht besser ausgegangen. Auf die möglichen Ursachen der verbreiteten Ablehnung gehen die Beiträger einer jetzt von den Herausgebern Rainer Hofmann und Andreas Zimmermann im Druck vorgelegten Kieler Vortragsreihe nicht ein, die 2004/05 am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht ausgerichtet wurde. Zu Wort kommen ausschließlich überzeugte Pro-Europäer, an der Spitze die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Pascal Hector, der stellvertretende Leiter des Sekretariats für die EU-Regierungskonferenz im Auswärtigen Amt. Wie in einer Brüsseler Hochglanzbroschüre beschwört der geballte völkerrechtliche Sachverstand, welches Potential die EU-Verfassung für die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik biete, und doch springt kein Funke über (Eine Verfassung für Europa. Die Rechtsordnung der Europäischen Union unter dem Verfassungsvertrag, Duncker & Humblot, Berlin 2005, 223 Seiten, broschiert, 64 Euro).

 

Europaideen. Die Tübinger Dissertation Vanessa Conzes, der Gattin des Marburger Neuhistorikers Eckart Conze, segelt ein wenig unter falscher Flagge. Denn ihr umfängliches Werk "Das Europa der Deutschen" verspricht im Untertitel die "Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung" von 1920 bis 1970 zu analysieren (R. Oldenbourg Verlag, München 2005, 453 Seiten, gebunden, 64,80 Euro). Das erdrückende Übergewicht ihrer Darstellung liegt jedoch auf der Zeit nach 1945, und da ist es wiederum die "Europa-Union" stark christdemokratischen Zuschnitts, die ihre Aufmerksamkeit fesselt und an ihre Biographie über den großen "Paneuropäer" Richard Coudenhove-Kalergi aus dem letzten Jahr anknüpft. Hier liegt der eigentliche Ertrag, die im guten Sinne positivistische Leistung der Verfasserin. Die Zwischenkriegs- und Kriegszeit hingegen, die ja unter dem Aspekt "Mitteleuropa", "Paneuropa" und "NS-Großraum" von der Forschung hinreichend oft unter den Pflug genommen worden ist, beachtet Conze kaum am Rande. Sie läßt es daher genug sein mit der Betrachtung der "abendländische Reichsideologie" Weimarer Angedenkens, im Kontext der Carl-Schmitt-Forschung oder mit Blick zurück auf Klaus Breuning freilich auch nicht eben unbeackerte Felder.


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