© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Frisch gepresst

1990. Nach dem 3. Oktober 1990 wurden einzelne Regelungen, die im Zuge der Verhandlungen zur Wiedervereinigung getroffen worden sind, heftig kritisiert. Claus J. Duisberg versucht in seinem Buch "Das deutsche Jahr" Verständnis dafür zu wecken, warum die Einheit so und nicht anders abgelaufen ist. Der damalige Leiter des Arbeitsstabes Deutschlandpolitik im Bundeskanzleramt zeichnet detailliert den Weg vom Kollaps des SED-Regimes bis zur Wiedervereinigung nach. Dabei erhebt er nicht den Anspruch, eine wissenschaftliche Studie vorzulegen, sondern bekennt sich ganz im Gegenteil dazu, seine persönlichen Erinnerungen an diese bewegte Zeit niedergeschrieben zu haben. Diese subjektive Sicht schadet dem Werk ebensowenig wie der Umstand, daß außenpolitische Aspekte nur am Rande abgehandelt werden. (Das deutsche Jahr. Einblicke in die Wiedervereinigung 1989/1990. wjs Verlag, Berlin 2005, 392 Seiten, gebunden, 24,90 Euro).

 

Helmut Schmidt. Obwohl man die Leitartikel des Altkanzlers in der Zeit immer wieder gern zur Kenntnis nimmt, hätte es einer Zusammenfassung dieser Artikel zum Thema deutsche Vereinigung aus den vergangenen fünfzehn Jahren nicht mehr bedurft. So hat der einzige wahre "Elder Statesman" Deutschlands zwar aus nachträglicher Sicht manches Mal im Jahr 1990 mit seinen Warnungen vor Hopplahopp-Entscheidungen recht behalten - besonders mit der Kritik am Wechselkurs eins zu eins. Doch insgesamt wirkte seine damalige Kritik, die überdies oft von den Ereignissen überholt wurde, allzu beckmesserisch und reichsbedenkenträgerhaft, um Visionskraft zu entfalten. Einzig sein aktuelles Nachwort auf knapp zwanzig Seiten kann diesen Anspruch für sich erheben (Auf dem Weg zur deutschen Einheit. Bilanz und Ausblick. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005, 220 Seiten, gebunden, 19,90 Euro).

 

Judenhaß. Vor kurzem haben Massimi Ferrari Zumbini ("Die Wurzeln des Bösen") und Cornelia Hecht ("Deutsche Juden und Antisemitismus in der Weimarer Republik") dicke Wälzer über das seit Ende des 19. Jahrhunderts gestörte deutsch-jüdische Verhältnis veröffentlicht, zusammen stolze tausend Seiten (JF 41/04). Man sollte also meinen, daß inzwischen auf diesem Feld nicht mehr viel Seide zu spinnen ist. Trotzdem hat sich der israelische Historiker Moshe Zimmermann, mit seiner Biographie des radikalen Judengegners Wilhelm Marr von 1986 selbst ein Pionier auf diesem Gebiet, noch einmal zu Wort gemeldet. Sein Buch "Deutsch-jüdische Vergangenheit: Der Judenhaß als Herausforderung" (Schöningh Verlag, Paderborn 2005, 308 Seiten, gebunden, 29,90 Euro) ist eine Zusammenfassung von Aufsätzen, die er in den letzten zwanzig Jahren publiziert hat. Wir können daher keine neuen Sichtweisen und Wertungen erwarteten, selbstverständlich auch nichts, was über die kompendiösen, aber eben auch eher phänomenologisch als analytisch verfahrenden Werke von Ferrari Zumbini und Hecht hinausginge.


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