© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/05 21. Oktober 2005

Frisch gepresst

Integration. Wenn der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland und neugewählte PDS-Bundestagsabgeordnete Hakki Keskin zur Bilanz der Integrationspolitik in Deutschland ausholt, darf man nicht unbedingt eine Für und Wider abwegende Kritik an der Migrationspolitik erwarten. Und so liefert der Hamburger Politologe tatsächlich eine mit Vorwürfen an die deutsche Mehrheitsgesellschaft gesättigte Philippika, die mehr durch Klischees als durch Analyse besticht. So sei eine latente, sich in der Verweigerung der Wahlmöglichkeit äußernde Ausländerfeindlichkeit ein wesentlicher Grund für die Entstehung von Parallelgesellschaften, die sich speziell bei der türkischstämmigen Bevölkerung durch die Kritik am EU-Beitritt der Türkei noch verschärfte. Keine Silbe ist Keskin das Verharren eben seiner Klientel innerhalb türkisch-nationalistischer Muster im neuen Heimatland und die sich damit immer stärker steigernde gesellschaftliche und auch soziale Isolierung wert. Hier spricht eben ein Lobbyist (Deutschland als neue Heimat. Eine Bilanz der Integrationspolitik. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, 296 Seiten, broschiert, 24,90 Euro).

 

Pest. Ganz gewiß gibt es - gemessen an den Folgen - in der Geschichte des Mittelalters keine gleichrangige Zäsur wie die Europa zwischen 1347 und 1352 heimsuchende Pestepidemie, die in Deutschland nicht nur die Ostkolonisation zum Stillstand brachte, sondern mit ihren Auswirkungen auf Demographie und Gesellschaft gleich ein ganzes "dunkles Jahrhundert" einleitete. Insofern hätte die vom frischgebackenen Bielefelder Althistoriker Mischa Meier herausgegebene medizinhistorische Betrachtung bereits jede Berechtigung. Doch neben dieser folgenschwere Epidemie hat keine Krankheit einen gleichen Schreckensklang bewahrt wie die über vorwiegend durch den Rattenfloh verbreitete Pest. Deren Erreger, das Pestbakterium Yersinia Pestis, existiert wenn auch gebändigt nach wie vor unter asiatischen Nagetieren. Meier beschreibt neben den mittelalterlichen, bis in die frühe Neuzeit grassierenden Epidemien in Europa auch die unbekannteren Phänomene auf anderen Kontinenten und begibt sich auf Spurensuche, inwieweit diese Geißel der Menschheit auch Kulturen des Altertums beeinflußte (Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas. Klett-Cotta, Stuttgart 2005, 478 Seiten, gebunden, Abbildungen, 29,50 Euro).

 

Spitzel. Die Verkommenheit eines Systems dokumentiert nichts überzeugender als ein Staat, der nicht einmal vor der Intimität von Partnerschaft und Familie haltmacht. Bekannten Schicksalen wie jenem der vom eigenen Ehemann bespitzelte Politikerin Vera Lengsfeld kann Ellen Thiemann eine weitere, haarsträubende Ehegeschichte hinzufügen, die im DDR-Frauenknast Hoheneck endete. Pflichtlektüre für alle Ostalgiker (Der Feind an meiner Seite. Die Spitzelkarriere eines Fußballers. Herbig Verlag, München 2005, 366 Seiten, gebunden, Abbildungen, 22,90 Euro).


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