© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Sachsens CDU gibt sich schwarzrotgold
Patriotismus I: Die sächsische Union will die NPD mit ihren eigenen Waffen schlagen / Thesenpapier zum Nationalbewusstsein
Marcus Schmidt

Unser deutsches Volk hat Europa und die Welt bereichert wie kaum ein anderes." Diesen Satz aus dem aktuellen Parteitagsantrag eines sächsischen Landesverbandes würden vermutlich nicht wenige Zeitgenossen der NPD zuordnen. Alleine schon der Begriff "deutsches Volk" klingt heutzutage seltsam fremd. Kein Wunder: Ist das Wort im Sprachgebrauch bundesdeutscher Politiker doch längst durch "Menschen", "Bürgerinnen und Bürger" oder ähnliche Hilfskonstruktionen ersetzt worden. Aber der Satz stammt nicht von der NPD, sondern aus einem Antrag an den Landesvorstand der sächsischen Union, der sich mit dem "deutschen Patriotismus im vereinigten Europa" beschäftigt.

Indirekt steht er aber doch im Zusammenhang mit der NPD: Seit dem Verlust der absoluten Mehrheit bei den Landtagswahl im vergangenen Jahr, der nicht zuletzt auf den Erfolg der NPD zurückzuführen ist, die mit 9,2 Prozent der Stimmen in den sächsischen Landtag einzog, bemüht sich die sächsische CDU, ihr konservatives und patriotisches Profil zu schärfen. Will die Partei bei den nächsten Wahlen wieder die absolute Mehrheit erringen, so die Überlegung, muß der Wiedereinzug der NPD in den Landtag verhindert werden.

Dabei setzt die Partei voll auf die Patriotismus-Karte. Nach der für die CDU verheerenden Landtagswahl hatte Ministerpräsident Georg Milbradt den ehemaligen Wissenschaftsminister Matthias Rößler damit beauftragt, Vorschläge auszuarbeiten, um das Thema Patriotismus in der sächsischen Union wieder stärker zur Geltung kommen zu lassen. Höhepunkt seiner Bemühungen ist das jetzt veröffentlichte Thesenpapier zum Thema, über das auf dem Landesparteitag am 5. November abgestimmt werden soll.

Das Papier ist ein Bekenntnis zur Nation, wie es in dieser Deutlichkeit von Unionsstrategen seit langem nicht mehr formuliert worden ist. Das Bekenntnis zur eigenen Nation ist für die Verfasser die Grundvoraussetzung für ein vereinigtes Europa. Bis auf "einige linke Politiker und Intellektuelle in Deutschland" wolle niemand in Europa seine Nation aufgeben. Das Streben nach "Multikulturalismus" und einer postnationalen Identität, wie es nach der Kulturrevolution von 1968 in Deutschland zu beobachten gewesen sei, wird als erneuter deutscher Sonderweg verworfen. Den von linker Seite propagierten "Verfassungspatriotismus" sehen die Autoren als unzureichend an. Wer glaube, "die Lektüre des Grundgesetzes allein versetze die Deutschen in positive nationale Wallungen", verkenne die Mechanismen von Geschichte und Politik.

Die Ablehnung der eigenen Geschichte, die "Züge eines 'negativen Nationalismus'" annehme, sehen die Verfasser am Ende. Mit Sorge wird registriert, daß "Politiker und Publizisten des eher linken Spektrums" der Union das eigene Terrain streitig machten und das Thema Patriotismus für sich entdeckten. Allen voran Bundeskanzler Gerhard Schröder, der mehrfach von deutschen Unternehmern Patriotismus eingefordert habe. Gerade die sächsische Union, die sich in dem Papier als patriotische, konservative und christlich-wertorientierte Volkspartei mit hohem sozialen Anspruch definiert, müsse sich diesem Thema stellen.

An praktischen Vorschlägen mangelt es

Es sei zudem notwendig, den inneren, geistigen Zusammenhalt des Gemeinwesens zu stärken. Grundlage hierfür sei eine Hinwendung zur "gesamten Geschichte" statt nur zu den Verbrechen des Nationalsozialismus und der kommunistischen Diktatur. Als positive Orientierungspunkte werden das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 ("wahrhaft patriotische Tat") und der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 genannt. "Schuldbewußtsein läßt sich nicht dauerhaft zum alleinigen Fundament der Staatsräson eines ganzen Landes machen", heißt es in dem Papier weiter. Die Autoren beklagen auch, daß es in Deutschland keine symbolträchtige Institution gebe, die den Patriotismus auf ein "sinnfälliges Zentrum" hin bündele und "Momente kollektiver emotionaler Erhebung" ermögliche. Als Ausweg aus diesem Dilemma bietet das Papier die Nationalhymne an, die in die Lehrpläne der Grundschulen gehöre und deren Singen bei öffentlichen Veranstaltungen zur Selbstverständlichkeit werden müsse (JF 42/05).

Ansonsten mangelt es an praktischen Vorschlägen, wie die 12 Thesen zum Patriotismus in praktische Politik umgesetzt werden könnten. Mit der Aufnahme der Nationalhymne in die Lehrpläne und eine Aufwertung des Geschichtsunterrichtes ist es kaum getan. Gespannt darf man darauf sein, welches Echo die Thesen in der Union finden werden - und ob sich wieder einmal bewahrheitet, daß Papier überaus geduldig ist.

Foto: Sachsens CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt vor einer Deutschlandfahne: Deutliches Bekenntnis


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