© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Hysterie und Leichtsinn
Vogelgrippe I: Massentierhaltung verschärft die Probleme
Volker Kempf

In Deutschland neigt man häufig zur Hysterie, redet gleich vom "Waldsterben", "Super-GAU" oder ähnlichem. Aber ist es hysterisch, wenn bei einer Vogelgrippe verordnet wird, die Hühner nicht mehr im Freien herumlaufen zu lassen? Andere Länder wie Italien oder Großbritannien bleiben zunächst schließlich gelassener. Oder sind sie leichtsinniger? Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, sagt der Volksmund.

Die Hysterie beginnt aber dort, wo private Hühnerhalter sich anhören lassen müssen, jetzt sollten sie ihr Federvieh nicht bloß in Ställe verfrachten, sondern am besten gleich töten. Hat das Kind einer solchen Familie eine Erkältung mit leichtem Fieber, heißt es gleich, so fange die Vogelgrippe an, wenn sie auf den Mensch übertragen wird.

Also weg mit allen Hühnern, Gänsen und Enten - Kopf ab! Ruhe bewahren und die Eilanordnungen befolgen. Das sollte ausreichen, um ein Zuwenig und ein Zuviel an Resonanz zu vermeiden, sondern optimal zu reagieren. Eine andere Frage ist, was aus der 1997 erstmals in Hongkong aufgetretenen Vogelgrippe für Lehren gezogen werden sollen. Die Lobby der Massentierhaltung von Geflügel in Käfigen, die zehn Eier für 89 Cent anbieten, versucht die Probleme zu ihren Gunsten auszulegen. Müssen jetzt Hühner nur noch in Käfigen gehalten werden, abgeschirmt von der Außenwelt? Das ist zu kurz gedacht.

Denn am anfälligsten sind gerade die in Massen gehaltenen und überzüchteten Tiere. Manche Zugvögel sind bereits infiziert, aber der Virus macht sich nicht bemerkbar. Diese Wildtiere sind häufig resistent.

Wir haben ähnlich wie in Südasien das Problem, daß eine relativ hohe Bevölkerungszahl mit noch höheren Ansprüchen an tierischer Nahrung versorgt werden muß. Das geht nur mit Massentierhaltung. Denn die private Hühnerhaltung in kleinsten und kleinen Einheiten mit verschiedenen Rassen gerät immer mehr in den Hintergrund. Alles wird industrialisiert - was den Tieren nicht immer gut bekommt.


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