© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/05 28. Oktober 2005

Zeitschriftenkritik: Neue Nachricht
Das Textmüllkartell
Nico Maus

Criticón ist tot, es lebe Neue Nachricht. Sechs Jahre nachdem der umtriebige PR-Mensch Gunnar Sohn die Zeitschrift Criticón übernommen hat, wurde der Titel nun endgültig begraben. Der Schritt war überfällig. Sohn hat die Ausrichtung des alten Criticón bis zur Unkenntlichkeit gedreht. Niveau und Renommee der Zeitschrift, aufgebaut über fast drei Jahrzehnte von dem konservativen Publizisten und Privatgelehrten Caspar von Schrenck-Notzing, waren in kürzester Zeit ruiniert. Sohn, der vormals beim Unternehmen Grüner Punkt Pressesprecher war, führte nun über Criticón einen Privatkrieg gegen seinen alten Arbeitgeber, dem er (nicht zu Unrecht) einen Mißbrauch seiner Monopolmacht vorwarf. Was aber hatten seine seitenlangen Geschichten zum Müllkartell in einem Blatt konservativ-liberaler Theoriebildung verloren, fragten immer mehr Leser. Konnte er die öden Wiederholungen nicht anderswo plazieren?

Gelangweilt kündigten immer mehr Criticón-Abonnenten, bis irgendwann auch der letzte vergrault war. Jetzt heißt die Zeitschrift Neue Nachricht. Sohn will "sachpolitische Konzepte zur Bewältigung von Gegenwartsproblemen" liefern, den "metaphysischen Sandkastenspielchen der Ewiggestrigen" abschwören - dies vielleicht ein Seitenhieb in Richtung des Barons? Neue Nachricht erscheint bloß viermal jährlich. Wer aber nur alle drei Monate "neue Nachricht" erhält, kann sich im Informationszeitalter aufhängen.

Ein weiteres Ärgernis: Die Beiträge in Neue Nachricht sind keineswegs neu, sondern oftmals Zweit- oder Drittveröffentlichungen. Es ist das reinste Text-Recycling, das Müllkartell-Spezialist Sohn und Chefredakteur Ansgar Lange zum Schaden der Leser betreiben (bei einem Heftpreis von 8,20 Euro). Lange bestückt unter diversen Pseudonymen den gesamten Rezensionsteil. Man muß aber zugeben, daß er - im Unterschied zu Sohn - eher noch gewisse konservative Instinkte zeigt, etwa in seiner zuvor in der Preußischen Allgemeinen Zeitung gedruckten Besprechung von Udo Di Fabios "Kultur der Freiheit" oder in seinen Beiträgen für die Monatszeitschrift Gegengift.

Criticón endete als Tragödie, Neue Nachricht beginnt als Farce. Angestrengt lockere Berichte über Roboter, Internet-Telefonieren und die "Call Center"-Branche sind höchstens als Einschlafhilfe geeignet. Viele Artikel wirken wie PR-Müll und lassen Zweifel an der journalistischen Unabhängigkeit von Neue Nachricht aufkommen.

Einziger Lichtblick im ganzen Heft ist ein kluger Aufsatz von Hans Jörg Henneke: "Wahrer und falscher Neoliberalismus". Der Rostocker Privatdozent erläutert sein Thema am Beispiel des neoliberalen und doch konservativen Ökonomen Wilhelm Röpke. Für diesen stand außer Frage, daß "die Marktwirtschaft in einem sensiblen Ordnungszusammenhang von Werten und Institutionen steht", die man ungestraft nicht zerstören dürfe, so Henneke. Auch Zeitschriften stehen in einem sensiblen Zusammenhang zu den Werten ihrer Leser. Wer diesen stört, darf sich über Abo-Entzug nicht wundern.

Anschrift: GES-Verlag, Kurfürstenstraße 40, 53115 Bonn. Das Jahresabo kostet 32,80 Euro.


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