© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/05 11. November 2005

Wachschutz für Redakteure
Dänemark: Wirbel um Karikaturen von Mohammed / Noch strengere Einwanderungsgesetze angekündigt
Thorsten Larsen-Seul

Im britischen Birmingham sorgten im Oktober Rassenunruhen für internationale Aufmerksamkeit. Seit zwei Wochen sind nun die gewalttätigen Ausschreitungen in französischen Vorstädten im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Doch auch in Dänemark ist das Verhältnis zwischen der angestammten Bevölkerung und den zahlreichen Einwanderern angespannt. Speziell zwischen der muslimischen Gemeinschaft und der Regierung sind die Beziehungen seit vergangenem Monat auf einem neuen Tiefstand angelangt.

Auslöser für den Konflikt sind zwölf satirische Zeichnungen des Propheten Mohammed, die eine der größten dänischen Tageszeitungen, die rechtsliberale Jyllands-Posten, am 30. September veröffentlichte - beispielsweise als böse dreinschauenden Terroristen mit Krummsäbel oder als Bombe mit Turban. Die Karikaturen entstanden, nachdem ein Schriftsteller, der ein Kinderbuch über die Geschichte des islamischen Religionsgründers schreiben wollte, keine Zeichnungen bekommen konnte. Alle angesprochenen Künstler hatten Angst vor Repressalien durch Muslime, denn laut Koran ist die Abbildung von Mohammed strengstens verboten. Aus Protest gegen solche "Selbstzensur" forderte die Jyllands-Posten daher andere Künstler auf, Mohammed zu zeichnen.

Die Karikaturzeichnungen wurden sofort heftig von Imamen kritisiert. Es folgten Demonstrationen von Tausenden aufgebrachten Muslimen in Kopenhagen. Die Jyllands-Posten und ihre Journalisten erhielten Morddrohungen. Auf Internet-Seiten war unter anderem eine dänische Flagge mit dem Schriftzug "Jyllands Posten" blutunterlaufen zu sehen - daneben eine Bombe, darüber stand: "Die Mudschaheddin haben viele Ziele in Dänemark, bald werdet ihr alle es bereuen." Es mußten sogar Wachleute zum Schutz der Jyllands-Posten-Redakteure eingesetzt werden.

Elf Botschafter islamischer Länder, darunter Ägypten, Indonesien, Pakistan und der Türkei, schrieben einen Brief an den dänischen Regierungschef Anders Fogh Rasmussen und baten ihn um ein Treffen. Er möge "die notwendigen Schritte" gegen solche Verleumdung des Islam ergreifen Sie forderten den rechtsliberalen Politiker auf, den "respektlosen Umgang" mit Muslimen zu beenden. Rasmussen verweigerte jedoch ein Treffen und wies die Vorwürfe scharf zurück. In Dänemark herrsche Demokratie und Pressefreiheit.

"Ich werde nie und nimmer akzeptieren, daß Respekt vor religiösen Haltungen zu Grenzen für Kritik, Humor und Satire in der Presse führt", erklärte Rasmussen in der Jylland-Posten. Er will das Thema Meinungsfreiheit nun auch auf einem Treffen am 14. November in Kopenhagen mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan ansprechen.

Von der türkischen Botschafterin gab es übrigens keine weiteren Kommentare. Vermutlich, weil Stimmen laut wurden, daß dieser Fall doch noch deutlicher zeige, daß die Türkei nicht in die EU gehöre. Die ägyptische Botschaft hat inzwischen erklärt, Kairo werde "den Dialog mit Dänemark über Menschenrechte und Diskriminierung" beenden.

Auch manchem dänischen Politiker geht die Pressefreiehit zu weit. Ex-Außenminister Uffe Ellemann Jensen, ein Parteifreund Rasmussens, äußerte offene Kritik. Die Aktion der Jylland-Posten sei "eine pubertäre Demonstration von Meinungsfreiheit, die bewußt und völlig ohne Grund auf den Gefühlen vieler Menschen herumtrampelt".

In Dänemark ist die Einwanderungspolitik seit Jahren das ganz große Thema. Seitdem Pia Kjærsgaard 1995 die rechte Dänische Volkspartei (DF) gründete und mit dem Ausländerthema drittstärkste Kraft wurde, wird immer offener über Zuwanderer und die Integrationsprobleme vieler Muslime diskutiert. 2001 wurde dann die sozialliberale Regierung von Poul Nyrup Rasmussens hauptsächlich wegen ihrer liberalen Einwanderungspolitik abgewählt.

"Erklärung zu Integration und aktiver Mitbürgerschaft"

Seither regiert eine Minderheitsregierung aus der rechtsliberalen Venstre und der Konservativen Volkspartei (KF, die dänische Schwesterpartei der CDU) unter Anders Fogh Rasmussen, die von der DF toleriert wird. Im Februar 2005 wurde diese Regierung für vier weitere Jahre wiedergewählt (JF 08/05).

Inzwischen ist der Neuzuzug von Einwanderern zumindest gebremst. Die neuen Integrationsgesetze sind die schärfsten in der EU. Vergangene Woche haben Regierung und DF weitere Verschärfungen angekündigt. Für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung soll nun sogar die Unterschrift unter eine detaillierte "Treue-Erklärung" notwendig sein. In dem letzten Freitag in Kopenhagen veröffentlichten 17-Punkte-Text der "Erklärung zu Integration und aktiver Mitbürgerschaft in der dänischen Gesellschaft" müssen Bewerber um eine Aufenthaltsgenehmigung unter anderem folgendes anerkennen: "Ich weiß, daß die einzelnen Bürger und Familien selbst die Verantwortung für ihre Versorgung tragen. Ich werde mich deshalb anstrengen, so schnell wie möglich Selbstversorger zu werden."

Oder: "Ich weiß, daß es in Dänemark verboten ist, seine Kinder zu schlagen. Ich weiß, daß die Beschneidung von Mädchen sowie die Anwendung von Zwang bei der Anbahnung von Ehen in Dänemark strafbar ist. Ich erkenne an, daß die dänische Gesellschaft scharf Abstand von Terrorhandlungen nimmt und daß jeder Bürger die Pflicht zur Bekämpfung von Terrorismus hat."

Abschließend heißt es: "Ich weiß, daß ich als Flüchtling nicht mehr Anspruch auf Schutz habe, wenn die Verhältnisse sich in meiner Heimat so geändert haben, daß ich heimreisen kann." Es ist zu vermuten, daß Dänemark nun erneut - nicht nur aus der EU - wegen seiner strengen Einwanderungspolitik heftigst kritisiert wird.

Foto: Muslimische Einwanderinnen in Kopenhagen: Zwang bei Eheanbahnung ist in Dänemark strafbar


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