© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/05 11. November 2005

CD: Heavy Metal
Zellteilung
Thorsten Thaler

In der Biologie ist der Prozeß, wie aus einer Zelle zwei neue entstehen, etwa seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bekannt und seither gut erforscht. Zellteilung sorgt für Wachstum und Fortpflanzung aller Organismen, wobei im Normalfall die Tochterzellen ein mit der Elternzelle identisches Erbgut aufweisen.

In der Musikwelt, Sparte Heavy Metal, entstehen neue Bands zuweilen auf ganz ähnliche Weise. Jüngstes Beispiel für eine schwermetallische Zellteilung und die Hervorbringung einer neuen Zelle ist die Gruppe Savage Circus, die kürzlich ihr Debütalbum "Dreamland Manor" (Dockyard 1/Soulfood) präsentiert hat. Kopf des deutsch-schwedischen Vierers ist Thomen "The Omen" Stauch, vormals Schlagzeuger der Metalband Blind Guardian. Gut zwanzig Jahre lang trommelte der heute 35jährige Stauch bei den Krefelder Wächtern, bis er im April dieses Jahres scheinbar aus heiterem Himmel die Band verließ.

Tatsächlich war er bereits seit längerem unzufrieden mit der musikalischen Entwicklung von Blind Guardian in Richtung episch-orchestralen, mehrspurigen Bombasts. Besonders mit dem letzten Guardian-Album "A Night At The Opera" (2002) sei er nicht mehr hundertprozentig einverstanden gewesen, bekannte er jetzt in einer Reihe von Interviews. Stauch: "Ich bin keine musikalische Nutte, die nur aufgrund des Erfolges alles weitermachen muß, was Blind Guardian vorgeben. Dann backe ich lieber kleinere Brötchen."

Gedacht, getan. Nach seinem Ausstieg, im Gepäck drei neue Songs, die wie die alten Guardians klingen, gründete Stauch zusammen mit seinem langjährigen Freund Piet Sielck, Gitarrist von Iron Savior, und den beiden schwedischen Persuader-Musikern Jens Carlsson (Gesang) und Emil Norberg (Gitarre) die Formation Savage Circus. Daß deren jetzt vorliegendes Erstlingswerk "Dreamland Manor" direkt aus der mittleren Schaffensperiode von Blind Guardian stammen könnte - wen wundert's.

Aufbau, Struktur, Dynamik und Melodieführung der durchweg über fünf Minuten langen Stücke samt deftigen Doublebass-Attacken, treibenden Drums und fetten Chören, beinahe alles (vielleicht mit Ausnahme der Halbballade "Beyond Reality") erinnert an allerorten hochgelobte Guardian-Alben wie "Tales From The Twilight World" (1990), "Somewhere Far Beyond" (1992) oder "Imaginations From The Other Side" (1995). Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die Stimme von Jens Carlsson, die der von Guardian-Sänger Hansi Kürsch frappierend ähnlich ist. Wer also den alten Wächtern eine Träne nachweint, kann sie nun bei Savage Circus wieder trocknen.

Eine andere Variante der Zellteilung läuft bei den Briten von Iron Maiden ab. Bei den Jungs um Bandgründer Steve Harris und Sänger Bruce Dickinson wuchern metastasenartig die Live-Alben; unlängst ist mit der Doppel-CD "Death On The Road" (EMI) das inzwischen siebte erschienen. Während der "Dance Of Death"-Tour am 24. November 2003 in der Dortmunder Westfalenhalle aufgenommen, bietet das Album mit 16 Titeln und einer Gesamt-Spielzeit von 94 Minuten einen vorzüglichen Querschnitt aus über 25 Jahren Maiden-Geschichte.

Von den letzten beiden Studioalben spielen die Eisernen Jungfrauen unter anderem "Wildest Dreams", "No More Lies", "Paschendale" sowie die beiden balladesken Stücke "Dance Of Death" und "Journeyman". Dazu kommen unverzichtbare Achtziger-Jahre-Klassiker wie "Wrathchild", "Trooper", "Hallowed Be Thy Name", "Run To The Hills", "Fear Of The Dark" (Gänsehaut!) sowie natürlich "The Number Of The Beast" und "Iron Maiden".

Summa summarum ein stimmungsvoller Konzertmitschnitt, der die Live-Atmosphäre exzellent widerspiegelt.


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