© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/05 18. November 2005

Anschlag in Kabul
Trauer um deutsche Soldaten
Dieter Stein

An diesem Montag wurde in Afghanistan durch ein Selbstmordattentat ein deutscher Soldat getötet und zwei weitere schwer verletzt. Der ferne Einsatz fordert seinen blutigen Tribut. Die Öffentlichkeit scheint aber relativ gleichmütig über eine solche Nachricht hinwegzugehen. "Das Land schreckt allenfalls kurz auf", registriert verwundert die Welt. Nachrichtensprecher melden den Vorfall emotionslos, als handele es sich um einen Anschlag, der irgendeine fremde, jedoch nicht die eigene Armee trifft. Auch im Jahr ihres 50. Geburtstages tut man sich schwer mit der Bundeswehr. Der Bundespräsident beklagte infolgedessen kürzlich das "freundliche Desinteresse" am Schicksal der Bundeswehrsoldaten, die zwar freiwillig, aber dennoch im Dienste des Landes am Hindukusch im Einsatz sind. Viele aktive Soldaten leiden darunter, welche kühle Mißachtung ihnen von manchen Landsleuten entgegenschlägt.

Die politisch Verantwortlichen haben seit Anfang der 1990er Jahre zielstrebig den Weg fort von der Heimatverteidigung hin zur "Armee im Einsatz" beschritten. 6.200 Soldaten der Bundeswehr sind derzeit im ständigen weltweiten Einsatz, darunter über 2.000 in Afghanistan im Rahmen der Isaf-Truppe. Jetzt sind bereits 18 Soldaten tot. Die politische Führung bekennt sich zwar zum Einsatz - sie hat ihn schließlich herbeigeführt! -, doch ist ihr der Soldat und das Soldatische fremd geblieben.

Hier versagen nicht nur Politiker, sondern auch die Medien. Wer wird nicht ehrfürchtig in den großen Talkshows herumgereicht, wie werden nicht bei Gottschalks "Wetten daß" Fußballmillionäre, Schlagersternchen und Comedystars als Vorbilder ins Rampenlicht gerückt und abgefeiert. Wann stehen in Deutschland aktive Soldaten im Rampenlicht? Wo gab es eine Direktschaltung an einen fernen Stützpunkt, bei der Soldaten, die ihr Leben riskieren, die Heimat grüßen? Fehlanzeige.

Der Geburtstag der Bundeswehr und die verhaltene Form der Feierlichkeiten, die weitgehend hinter verschlossenen Türen ohne breite Öffentlichkeit für die Soldaten selbst und ihre engsten Angehörigen abgehalten wurden, bietet dafür ein betrübliches Beispiel. Den Großen Zapfenstreich feierte die Bundeswehr vor drei Wochen am Berliner Reichstag, demütigend eingekesselt von 2.000 Polizisten, die mit Mühe einen tobenden Mob von linksradikalen Chaoten davon abhalten konnten, die Veranstaltung zu sprengen. Den im Fackelschein irritiert unter ihren etwas zu klein wirkenden Helmen hervorschauenden Soldaten schien man aus den Gesichtern ablesen zu können, daß sie wissen: Die da draußen schreien und krakeelen - sie müssen nicht mit Empörung der Öffentlichkeit rechnen. Wir hier hingegen machen die Drecksarbeit - und sie wird uns nicht gedankt.

Diese Zeitung hat die Entscheidung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan kritisiert. Sie hält die Beteiligung an diesem Kommando für einen politischen Fehler. Auch haben wir den militärischen Sinn bezweifelt und vor dem Risiko gewarnt.

Dennoch haben die jungen Soldaten, die ihr Leben bei diesem Einsatz riskieren, den Rückhalt ihres Vaterlandes verdient. Der Stil, mit dem die Todesnachricht von der Öffentlichkeit behandelt wird, ist beschämend. 


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