© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/05 18. November 2005

WIRTSCHAFT
Zinspanik bei den Euro-Finanzministern
Bernd-Thomas Ramb

Die vorsichtigen Andeutungen der Europäischen Zentral-bank (EZB) über eine möglicherweise bevorstehende Anhebung der Zinssätze sind auf ebenso voreilige wie heftige Kritik der europäischen Finanzminister gestoßen. Luxemburgs christdemokratischer Regierungschef Jean-Claude Juncker, gleichzeitig Vorsitzender der Eurogruppe, eines informellen Zusammenschlusses der Finanzminister innerhalb des Euro-Währungsgebietes, hat die EZB unverblümt vor "überhasteten Entscheidungen" gewarnt. Während die EZB aufgrund der enorm gestiegenen Ölpreise ein Anziehen der allgemeinen Inflation befürchtet, sieht Juncker keinen Handlungsbedarf. Juncker meint schon jetzt, eine bevorstehende Lohn-Preis-Spirale ausschließen zu können.

Die Gefahr ist jedoch unverkennbar, daß erstens die Unternehmen die höheren Benzinpreise oder Heizungskosten ihrer Betriebe auf die Preise ihrer Produkte umwälzen und zweitens die Arbeitnehmer aus den gleichen Gründen höhere Löhne verlangen, zumal sie durch die höheren Produktpreise ihrer Unternehmen scheinbar finanzierbar sind. Lohn-Preis-Erhöhungen schlagen auch im Öffentlichen Dienst zu. Schon deshalb geraten die Staatshaushalte noch mehr unter Druck. Erhöht die EZB nun zur Inflationsbekämpfung den Basiszinssatz, müssen die Finanzminister vollends in Panik geraten. Die Haushalte der meisten Euro-Länder sind bereits jetzt mit Zinszahlungen für die ausufernden Staatsschulden überlastet. Erhöht die EZB ihren extrem niedrigen Zinssatz von zwei Prozent nur mäßig um einen viertel Prozentpunkt, so bedeutet das mittelfristig eine Erhöhung der staatlichen Zinsverpflichtungen um 12,5 Prozent. Das macht die Hysterie der Finanzminister verständlich.


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