© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/05 25. November 2005

Frisch gepresst

Gottorfer Globus. In den kaum sonnenverwöhnten Gefilden zwischen Nord- und Ostsee entstand im 17. Jahrhundert der erste Barockgarten nördlich der Alpen, der dem Herrscher des winzigen Herzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf einen Hauch mediterraner Lebensfreude bescheren sollte. Den Mittelpunkt der Anlage bildete ein begehbarer Globus, installiert vom Gottorfer Hofgelehrten Adam Olearius. Fast zwanzig Jahre brauchte es, bevor dieses "Weltwunder" 1664 fertig wurde und europaweite Aufmerksamkeit erregte. 1713 kam das virtuelle "Welt- und Himmelstheater" in den Besitz Peters des Großen. 1941, sichergestellt von Kunstschutzoffizieren der Wehrmacht im Schlösserbezirk vor Leningrad, trat der Globus seine Heimreise an, mußte 1946 als "Kriegsbeute" aber wieder an die Sowjets zurückgegeben werden. Ein von der Reemtsma-Stiftung ermöglichter Nachbau, den Gerhard Schröder und sein Männerfreund Wladimir Putin kurz vor Weihnachten 2004 einweihten, ist seit Frühjahr 2005 im restaurierten Barockgarten des Gottorfer Schlosses in Schleswig auch öffentlich zugänglich. Die von Herwig Guratzsch herausgegebene Aufsatzsammlung (Der neue Gottorfer Globus, Koehler & Amelang, Leipzig 2005, 112 Seiten, broschiert, Abbildungen, 14,50 Euro) ist als vortrefflicher kulturgeschichtlicher Begleiter jedem Besucher zu empfehlen.

Dresden. Noch immer reißt die Schlange der Besucher vor der Dresdner Frauenkirche nicht ab. Trotz der wahrhaft gelungenen Rekonstruktion des barocken Prachtbaus wird das sich auch sonst langsam wieder formierende Dresden nie den alten Glanz zurückbekommen. Wer die von Jürgen Helfricht zusammengetragenen Zeitzeugenberichte betagter, teilweise prominenter Dresdner liest, dem dürfte der Kontrast des Elbflorenz mit der heutigen Landeshauptstadt deutlich werden. Allein die immer wieder vorgebrachten Schilderungen der prachtvollen, vom Hauptbahnhof zur Innenstadt führenden Prager Straße im Vergleich mit der immer noch existierenden realsozialistischen Tristesse offenbaren den Verlust nach dem 13. Februar 1945. Und egal, welchen sozialen und politischen Hintergrund die Befragten auch haben: Alles läuft auf diese Bombennacht hinaus, die von fast allen als Zäsur erlebt wird (Sehnsucht nach dem alten Dresden. Zeitzeugen erinnern sich der unzerstörten Stadt. Verlags- und Publizistikhaus. Dresden 2005, 180 Seiten, gebunden, Abbildungen, 19,90 Euro).


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