© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/05 25. November 2005

BND aus Nordamerika: Der "Buy-Nothing-Day" breitet sich auch bei uns aus
Mission wider den Konsum
Christoph Martinkat

Wir kaufen nichts! Hier stehen jede Menge gute Gründe, am 26. November 2005 nichts zu kaufen. Wenn du auch nichts kaufen willst, sag uns warum. Ich kaufe nichts, weil ...", so steht es im deutschen Internet-Forum des BND. BND? Ja, Sie haben richtig gelesen. BND steht für "Buy-Nothing-Day", eine Initiative, die tatsächlich da herkommt, wonach sich das Ganze anhört: aus Nordamerika. Dahinter steckt die Adbusters Media Foundation - zu deutsch: Werbejäger -, die seit Anfang der 1990er Jahre von Kanada aus mit Anti-Werbespots die Imagekampagnen internationaler Großkonzerne angreift. Da die Fernsehsender Adbusters jedoch kaum Sendezeit verkaufen, spielt sich ein großer Teil von deren Politik vor Gericht ab oder via öffentliche Stellungnahmen: Ausgerechnet zum Thanksgiving sollen die Einkaufswagen leer bleiben und die Ladenkassen nicht klingeln.

Die USA - ein Markenname von vielen Trillionen Dollar

Warum das so sein muß, erklärt Kalle Lasn, Mitinitiator vom BND und Herausgeber des Adbusters-Magazins, in seinem jüngsten, nun auch auf deutsch vorliegenden Buch "Culture Jamming". Die USA, so der Autor, seien schon seit geraumer Zeit kein Staat im klassischen Sinne mehr, sondern einfach nur ein Markenname im Wert von vielen Tausenden Trillionen Dollar. Lasn konfrontiert seine Vorstellung von "echtem Leben" mit der heutigen Medienwelt, die er als reines Spektakel begreift. Unter diesen Bedingungen, so seine Argumentation, werde den Menschen keine Möglichkeit mehr gegeben, "echte Erfahrungen" zu machen. Also bleibe nur die Rückeroberung des Spektakels selbst: "Hol dir die Show zurück. Schaffe deine eigenen Atmosphären, Stimmungen und 'Situationen'. Schaffe etwas 'Provisorisches und Gelebtes'." Das alles klingt irgendwie postmodern, wie ein Mix aus 68er Revolte, Punk-Existenzialismus, Trödelmarkt und protestantischer Genügsamkeit.

Darum also sollen die Warenkörbe leer und alle Fernseher - im Rahmen der ebenfalls von Adbusters propagierten "TV-Turnoff-Weeks" - aus bleiben? Man weiß nicht so recht.

Daß etwa die Franzosen mit einem selbstauferlegten Fernsehverbot durchaus selbstironisch umzugehen verstehen, konnte man jüngst auf Arte besichtigen. Dort wurde den Probanden der Fernseher für einige Wochen aus der Wohnung getragen. Dann wurde die Familien Woche für Woche gefilmt. Wie sie sich fühlen, wurde gefragt, und was sie eigentlich tun. Am Ende sagten die TV-Abstinenzler, was man eben so sagt: Sie seien froh, daß der Apparat wieder da sei, oder aber, sie könnten auf ihn nun gänzlich verzichten.

Zurück zum deutschen Internet-Forum von BND: "Ich kaufe nichts, weil": "kaufen eine Ersatzbefriedigung ist und zur Sucht ausarten kann"; "durch unser kapitalistisches Kaufverhalten die wahren Werte vieler Dinge nicht mehr erkannt werden", oder auch: "ähm keine Ahnung. Eigentlich kaufe ich sehr gern sinnlose Dinge, die von superreichen Konzernen mit Hilfe von unterbezahlten Kindern in fernen Ländern produziert werden - ehrlich". Tatsache jedoch bleibt, und das spräche für Veranstaltungen wie den BND, der mittlerweile in über 80 Ländern der Erde ein Zeichen setzen will: Unser Kaffee in der Shopping-Pause kostet nur zwei Euro, weil die Bäuerin in Uganda, die ihn gesät und gepflückt hat, nicht einmal zwei Cent kriegt. Da mag mancher kritisch werden.

Das Hallelujah der Church of Stop Shopping

Dagegen sind amerikanische Figuren wie Reverend Billy und seine "Church of Stop Shopping" hierzulande reinste Folklore. Immerhin, ein Starbucks-Café mit Hilfe von Anti-Konsum-Gläubigen lahmzulegen, ist schon eine spannende Geschichte. Überhaupt: Reverend Billy, Bill Tale mit Namen und eigentlich Schauspieler, sieht aus wie ein blondierter und gealterter Elvis Presley, zieht mit seinem Kirchenchor durch die Wal-Mart- und Nike-Filialen der USA, hält mit dem Hallelujah des Erweckungspredigers flammende Reden gegen die Blasphemie des Shopping.

Daß dieser Anti-Konsum-Missionar made in USA ebenso wie der BND in Deutschland auf Sympathien treffen, die sich - trotz Hartz IV und Konsumflaute - am 26. November in einigen Großstädten irgendwie "antikonsumistisch" entäußern, mag auch daran liegen, daß die Leute hier wissen, daß es sich bei den USA um ein populär-religiöses Konstrukt als Gesamtdesign handelt, das immer wieder Erweckungsbewegungen, Missionare und Kreuzzüge produziert hat. Und einige davon hatten schließlich Erfolg.


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