© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Kein Steuergeld für Videospiele
Finanzpolitik: Bundeskabinett beschließt Aus für Steuersparfonds - Symbolpolitik oder echter Mentalitätswandel?
Erol Stern

Deutsche Managergehälter im mehrstelligen Millionenbereich erhitzen in diesem Jahr die Ge-müter. Die Saläre deutscher "Medienstars" oder die Filmgagen von Hollywood-Filmsternchen schienen hingegen kaum jemanden zu stören - obwohl der deutsche Steuerzahler letztere jahrelang mitfinanzierte: durch Steuergeschenke für Medienfonds (JF 12/05).

In einem ersten großen Beschluß hat die neue schwarz-rote Bundesregierung nun die Weichen für eine Begrenzung der Verlustverrechnung von sogenannten Steuersparfonds gestellt. Denn "immer mehr Steuerpflichtige versuchen, ihre Steuerbelastung durch Zeichnung von sogenannten Steuerstundungsmodellen zu reduzieren", begründete das Bundesministerium der Finanzen letzte Woche diesen Schritt.

Fonds führten jährlich zu erheblichen Steuerausfällen

Dabei handele es sich um "Fonds in Form von Personengesellschaften, die ihren Anlegern in der Anfangsphase hohe Verluste zuweisen. Diese Investitionen werden häufig nur wegen des damit verbundenen steuerlichen Vorteils getätigt und führen damit nicht nur zu Fehlallokation des Kapitals, sondern auch jährlich zu erheblichen Steuerausfällen", erklärte das Ministerium von Peer Steinbrück (SPD).

Die Attraktivität dieser Steuerstundungsmodelle soll nunmehr durch eine Verlustverrechnungsbeschränkung wirkungsvoll eingeschränkt werden. Zukünftig sollen die Verluste nur noch mit späteren positiven Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden können. Bislang konnten gutverdienende Selbständige ihre hohen aktuellen Einkünfte mit einer Beteiligung an einem Steuersparfonds in ihre Pensionärszeit verlagern. Sie mußten diese dann nur noch mit ihrem späteren, zumeist niedrigeren Einkommensteuersatz versteuern.

Betroffen seien davon laut Finanzministerium "insbesondere Verluste aus Medienfonds, Schiffsbeteiligungen (soweit sie noch Verluste vermitteln), New Energy Fonds, Leasingfonds, Wertpapierhandelsfonds und Videogamefonds". Betroffen sind beispielsweise auch geschlossene Sonnen- und Windenergiefonds, die den Anlegern ebenfalls gezielt in der Anfangsphase aus steuerlichen Gründen hohe Verluste zuweisen und so das zu versteuernde Einkommen mindern. In Spitzenzeiten waren so Verlustzuweisungen von bis zu dem Dreifachen des eingesetzten Kapitals möglich; die Rendite des Fonds - und somit die Gewinnerzielungsabsicht und Wirtschaftlichkeit - geriet zur Nebensache und führte so zu maßgeblichen Steuerausfällen.

Ob die US-Filmindustrie aber künftig völlig ohne das stupid German money (dumme deutsche Geld) auskommen muß, das ohne Mitbestimmungsrechte der Investoren auch unzählige Hollywood-Flops sponserte, ist noch unklar. Das hängt von der endgültigen Ausarbeitung des Gesetzestextes ab, der Anfang 2006 den Bundestag passieren soll. Würden die bisher gängigen Medienfondsmodelle völlig unattraktiv, verlöre auch die deutsche Filmindustrie eine Finanzquelle, wird von Kritikern moniert. Entsprechende Ausnahmeregelungen könnten aber wieder zur "Hintertür" für Hollywood werden.

Ebenfalls von der Gesetzesänderung erfaßt werden Verluste aus selbständiger Arbeit, aus stillen Beteiligungen, Vermietung und Verpachtung, um eine kreative Umgehung der Neuregelung zu verhindern. Die Steuermehreinnahmen - oder reduzierten Mindereinnahmen - sollen sich auf zirka 8,2 Milliarden Euro in 2007 und fast 14,8 Milliarden Euro pro Jahr bis 2010 belaufen.

Durch die Verlustverrechnungsbeschränkung erhofft sich die Regierung zudem Anreize für mehr Rentabilität bei geschlossenen Fonds und Beendigung einer ungewollten Förderung volkswirtschaftlich fragwürdiger Steuersparmodelle, die insbesondere von Bevölkerungsschichten mit höherem Einkommen genutzt werden, um ihre Steuerbelastung zu senken oder zu stunden. Die Neuregelung soll somit für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Etwaige Schadenersatzklagen aus der Branche wegen des rückwirkend beschlossenen Stichtags 11. November kommentierte der neue Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, daß das Datum rechtlich einwandfrei festgelegt und die Verfassungsmäßigkeit des Termins von allen betreffenden Ministerien geprüft worden sei. Das Finanzministerium argumentiert, der Stichtag sei der Branche lange genug bekannt gewesen.

Schiffsfonds hingegen behalten durch die Tonnagesteuer ihre steuerlichen Vorteile, während geschlossene Auslandsimmobilienfonds weiterhin von europäischen Doppelbesteuerungsabkommen profitieren. Ebensowenig betroffen sind sogenannte Private-Equity und Risikokapital-Fonds, da diese den Anlegern konzeptionell bedingt keine Verluste zuweisen.

Doch auch direkte und nicht immer zweckfördernde Subventionen wie Eigenheimzulage und Pendlerpauschale für das Haus im Grünen werden gekürzt oder müssen gänzlich weichen. Schmerzlicher hingegen wirken sich für die breite Masse geplante Streichungen bei den Sparerfreibeträgen, Freibeträgen für Abfindungen, Übergangsgelder und Bergmannsprämien aus. Zudem wird die Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen erheblich verschärft. Diese Konsequenz bei der Umsetzung würde bei den Wählern jedoch eher auf Zustimmung treffen, wenn sie auch auf die verworrene Subventionspolitik der EU ausgedehnt würde.

Dabei hatte sich das Ende der Steuersparfonds seit längerem angekündigt: Nach einem ersten Anlauf im Mai 2005 brachte der bisherige Finanzminister Hans Eichel (SPD) den Entwurf am 10. November noch einmal ein, scheiterte jedoch am grünen Umweltminister Jürgen Trittin, der nicht mitschuldig sein wollte, wenn durch die auch betroffenen Windkraftfonds den erneuerbaren Energien Nachteile entstünden. Am Tag darauf beschloß die Große Koalition rückwirkend das Ende der Steuersparmodelle, was Trittins Veto als fadenscheinig erscheinen ließ und ihm seitens der SPD Vorwürfe einer oppositionellen Klientelpolitik einbrachte.

Diesen Verdacht nährt der Umstand, daß die nun oppositionellen Grünen umgehend im neuen Bundestag eine Anhörung verlangten, um den juristischen Schutz für Beteiligungen in regenerative Energien zu erwirken, worüber sich die zahlreichen inzwischen gutsituierten "Altachtundsechziger" freuen dürften. Das letzte Wort ist hier also noch nicht gesprochen.


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