© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Ein roter Schwarzer im grünen Amt
Landwirtschaft: Horst Seehofer als neuer Verbraucherschutzminister / Von Renate Künast wird er sich nur wenig unterscheiden
Klaus Peter Krause

Politiker können das: Kaum im Amt, tun sie so, als kennen sie sich darin längst bestens aus. Auch CSU-Vize Horst Seehofer weiß diesen Eindruck zu vermitteln. Gleich an seinem ersten Arbeitstag als Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hatte der 56jährige Diplomverwaltungswirt in Brüssel mit den EU-Agrarministern über die Reform der Marktregulierung für Zucker zu beschließen und dann das Ergebnis den Medien zu erläutern.

Seehofer tat dies, als sei er jahrelang Agrarminister gewesen: Er sprach von einem "ausgewogenen Paket", das den Anforderungen des Weltmarktes gerecht werde. "Ich denke, es ist eine faire Geschichte gegenüber allen Betroffenen". Die Reform sei kostenneutral, "ein Scheitern hätte katastrophale Auswirkungen für den Zuckermarkt" in der EU gehabt.

Mit Äußerungen zur Agrarpolitik ist Seehofer bisher nicht hervorgetreten. Er hatte dazu auch keinen Anlaß: Unter Kanzler Helmut Kohl war er von 1992 bis 1998 Bundesminister für Gesundheit. Aber dem Zwang, die milliardenteure staatliche Preisstützung allmählich zurückzufahren, die Einbußen der Bauern mit Direktzahlungen zu überbrücken und den Importschutz gegen Agrarprodukte aus Nicht-EU-Ländern weiter zu vermindern, kann er sich nicht entziehen, selbst wenn er es wollte und obwohl er das - auch unter einer bürgerlichen Regierung - protektionistisch gesinnte Frankreich an seiner Seite hätte.

Die Finanzlage der EU ist einfach nicht danach, ebenso nicht die politische Lage bei den WTO-Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels. Die Apec-Länder drängen, den EU-Markt für Agrarprodukte weiter zu öffnen.

Als strammer Befürworter von Wettbewerb und wirtschaftlicher Freiheit, von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung hat sich Seehofer nicht hervorgetan - als Chef der Arbeitnehmer-Union der CSU (CSA) agierte er wirtschaftspolitisch eher wie ein "roter Schwarzer". Als Gesundheitsexperte offenbarte seine Politik sogar volksverführerisch-sozialistische Züge - mag der Sozialkonservative dies auch von sich weisen. Unvergessen ist, wie er sich 2004 dafür ins Zeug legte, alle Bürger - auch die neun Prozent Privatversicherten und Beamten - in die fehlkonstruierte Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu pressen.

Damit agierte er quasi Arm in Arm mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) als Quertreiber gegen Angela Merkels "Kopfpauschale" bzw. "Gesundheitsprämie". Die CDU-Chefin wollte mit dieser Reform die GKV-Beiträge vereinheitlichen, von der Einkommenshöhe der Versicherten abkoppeln und den GKV-Arbeitgeberbeitrag bei 6,5 Prozent begrenzen, um so die Lohnnebenkosten in Zukunft zu begrenzen.

Die Immer-noch-Gesundheitsministerin Schmidt hat den "rot-grünen Irrweg der Bürgerversicherung" (CDU-Wirtschaftsrats-Präsident Kurt Lauk) keineswegs aufgegeben, und auch Seehofer wird ihm weiterhin anhängen. Nun sitzt auch er sogar wieder im Kabinett, hineinbugsiert von Edmund Stoiber - zum Mißvergnügen der sehr widerstrebenden Bundeskanzlerin Merkel.

Konflikte mit seiner Kanzlerin liegen in der Luft

Der CSU-Chef wollte den Populisten - und mit 65,9 Prozent bestplazierten direkt gewählten CSU-Bundestagsabgeordneten - als Konkurrenten in Bayern vom Hals haben. Mit ihm, so konstatierte FDP-Chef Guido Westerwelle süffisant, habe die SPD in der Regierung jetzt neun statt acht Minister. Und Kanzlerin Merkel weiß: Mit ihm in ihrem Kabinett wird sie es noch schwerer haben als ohnehin schon.

Daß er sich im Kabinett nicht auf Kartoffeln und Bananen beschränken lassen will, hat er schon kundgetan. Woran Seehofer bei diesem Spruch auch immer gedacht haben mag, allein schon als Agrarminister und Verbraucherschützer kann er es tatsächlich nicht.

Dafür steht zuviel Wichtigeres anderes an: die Reform der interventionistischen EU-Agrarpolitik (hier vor allem der Rückbau der Milchmarktregulierung) und im Dezember die WTO-Ministerkonferenz. Beschäftigen muß Seehofer sich auch mit dem jüngsten Fleischskandal, mit der Abwehr der Vogelgrippe, mit Natur- und Tierschutzauflagen und besonders mit der Gentechnik, bei der es gilt, auch in Deutschland die Realitäten zur Kenntnis nehmen.

Freilich, als große treibende Kraft bei den weiteren agrarpolitischen Reformen kann man sich ihn schwerlich vorstellen. Darin war seine Vorgängerin Renate Künast anders. Aber als Verbraucherschützer steht er der Grünen-Politikerin sicher nicht nach, sind doch vor allem hier Wählerstimmen zu gewinnen. Zurückrudern wird Seehofer hier nicht, vermag es auch schwerlich. Möglich, daß er in Sachen Umweltschutz nicht so ideologisiert-getrieben agiert wie Künast. Und EU-Regelungen werden mit ihm (und Merkel) wohl nicht mehr übererfüllt. Aber Umwälzungen zurück wird es mit ihm hier ebenfalls nicht geben.

Gelegen kommen wird Seehofer die Agrarsozialpolitik, der Hauptposten in seinem Etat. Denn "das Soziale" ist sein Feld schlechthin - auch wenn er als Minister nicht mehr Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK Bayern sein darf. Seehofer tritt auf für "soziale Gerechtigkeit"; Deutsche fliegen auf sie wie Mäuse auf Speck. Wirkliche Reformen geißelt Seehofer schnell als "Sozialabbau".

Nur scheinbar wechselt das Verbraucherministerium mit ihm von Grün nach Schwarz. Denn dieser CSU-Politiker aus Ingolstadt ist eher rot, und wie grün sein Treiben ausfällt, wird man sehen. Konflikte mit seiner Kanzlerin liegen in der Luft, doch Seehofer steht in der Kabinettsdisziplin. Das mag es abmildern, daß Angela Merkel ihn als Minister hat schlucken müssen: Besser, er stänkert eingebunden innerhalb der Regierung als uneingebunden von außerhalb.


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