© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Aberwitz des Alltags
Kino mit Unterhaltungswert: "Alles, was ich an euch liebe"
Claus M. Wolfschlag

Manchmal reichen allein die Zutaten für eine halbwegs unterhaltende Komödie. Das Rezept, sprich: die Dramaturgie, wird zum Nebenprodukt. Die Zutaten dieser spanisch-britischen Koproduktion stellt die jüdisch-spanische Familie Dalinsky. Diese besteht aus einer Ansammlung von Exzentrikern, die den Unterhaltungswert von "Big Brother", "Supernanny" und "Polizeiruf 110" zu vereinen scheinen.

Mutter Gloria (Norma Aleandro), die seit der Geburt ihres mittlerweile erwachsenen Sohnes keinen Sex mehr hatte, schluckt Antidepressiva. Ihre älteste Tochter Tania (Maria Botto) ist dagegen nymphoman veranlagt, um die mangelnde Zuwendung während ihrer Jugendzeit zu kompensieren. Tanias sechsjähriges Töchterchen Paula (Alba Molinero) spielt stets, schwanger zu sein, und entpuppt sich als reine Nervensäge. Tanias Bruder David (Fernando Ramallo) hat sich auf seiner jugendlichen Identitätssuche zum strenggläubigen Orthodoxen entwickelt. Er reißt Klopapier zeitig zurecht, weil man am Sabbat diese Tätigkeit nicht verrichten dürfe, er schmeißt das Familienessen einfach weg, wenn es ihm nicht koscher genug erscheint, und macht der Familie bei jeder nur erdenklichen Alltagsverrichtung religiöse Vorschriften. Und irgendwo schleicht auch noch ein blinder schießwütiger Großvater herum.

In diese Szenerie platzt Tochter Leni (Marian Aguilera), um der Familie ihren neuen Verlobten Rafi (Guillermo Toledo), einen intellektuellen Literaturprofessor, vorzustellen. Rafi ist nervös, und Leni bietet ihm deshalb vorab "zur Entspannung" einen Quickie im Fahrstuhl an, bevor sie die Wohnung in dem Hochhausblock erreichen. Was die Dalinskys aber noch nicht wissen: Rafi ist Palästinenser, und das wird noch zu Empörung im jüdischen Haushalt führen.

Vorher allerdings passiert ihm ein Mißgeschick. Im Bemühen, sich in der Küche von Mutter Gloria beim Abendessen nützlich zu machen, entgleitet ihm die eingefrorene Suppe aus dem offenen Fenster. Stockwerke tiefer wird zufällig ein Passant von dem Eisklumpen am Kopf getroffen, und Rafi ist unsicher, wie er mit dieser peinlichen Situation umgehen soll. Was er aber noch nicht weiß: Der getroffene Passant ist der noch vermißte Vater der Familie, und dieser irrt fortan mit Gehirnerschütterung und Gedächtnisverlust planlos durch die Stadt.

"Alles, was ich an euch liebe" lebt nicht von einen sonderlich raffinierten Drehbuch, sondern von Sprachwitz und Situationskomik. Dadurch siedelt sich der Film irgendwo zwischen Slapstick und Woody Allen an. Daß die Regisseure Teresa de Pelegri und Dominic Harari dem komischen Geschehen in ihren Stellungnahmen noch einen Hauch von Hintergrund - über "multikulturelle" Beziehungen, Migration und den Frieden im Nahost‑Konflikt - andichten wollen, sei ihnen unbenommen. Dem Unterhaltungswert ihres kleinen neunzigminütigen Streifens tut das keinen Abbruch.

Foto: Rafi (Guillermo Toledo), Gloria (Norma Aleandro) und Leni (Marián Aguilera): Auf der Suche nach Glorias Ehemann


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