© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/05 02. Dezember 2005

Gleichheit statt Freiheit
Ein Ideal im Rückstand
Claudia Hansen

Freiheit, die ich meine" - so hieß ein Lied, das um 1848 herum beliebt war. Das Grundgesetz basiert auf Forderungen des Paulskirchenparlaments. In ihm tauchen "Freiheit" oder "frei" und Abwandlungen davon insgesamt 45mal auf; dagegen kommt "Gleichheit" oder "gleich" nur 14mal vor. Während die Verfassungsväter also eine freiheitliche, keine egalisierende Demokratie wollten, hat sich das Pendel immer mehr zur Gleichheit verschoben, beklagen der Meinungsforscher Thomas Petersen und der Politikwissenschaftler Tilman Mayer.

Seit 1968 sind die bürgerlichen Werte der Eigenverantwortung und Selbstvorsorge auf dem Rückzug. Das Risiko der Freiheit wurde immer mehr gescheut, statt dessen hat eine Versorgungsmentalität zugenommen. Trotz ihrer rebellischen Attitüde begaben sich die 68er unter das schützende Dach von Vater Staat. Freiheit verstanden sie als sexuelle Libertinage und moralische Permissivität, nicht jedoch als die Pflicht, mit den Konsequenzen eigener Taten zu leben. Die sollte, bitteschön, die Allgemeinheit tragen. Mittlerweile steckt der umverteilende und egalisierende Wohlfahrtsstaat in einer schweren Krise. Zugleich kam Mitte der neunziger Jahre der linksverschiebende Wertewandel zum Stillstand, behaupten Petersen und Mayer.

Möglich wäre nun, daß die Gesellschaft stagniert und die Werte der 68er fest verwurzelt bleiben. Möglich wäre aber auch ein neuer Wertewandel, der das freiheitliche Element wieder stärker betont. Anzeichen dafür sehen die Autoren erstaunlicherweise in den neuen Bundesländern. Ihre schmale Studie enthält einige Mängel im ideengeschichtlichen Teil, etwa eine verkürzte und mißverständliche Darstellung der Begriffe "positive" und "negative" Freiheit bei Isaiah Berlin, eine oberflächliche Behandlung von Hayeks Freiheits- und Gerechtigkeitsbegriff und eine zu unkritische Wiedergabe der Position von Rousseau. Auch hätte zum Thema Meinungsfreiheit das Stichwort "politische Korrektheit" als Synonym für inoffizielle Zensur erwähnt werden können. Trotzdem stellt das Büchlein aufgrund der breiten empirischen Basis eine gelungene Einführung dar.

Thomas Petersen, Tilman Mayer: Der Wert der Freiheit. Deutschland vor einem neuen Wertewandel? Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2005, 152 Seiten, broschiert, 15 Euro


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