© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/05 09. Dezember 2005

Eliminierung der Franco-Symbolik
Spanien: Die sozialistische Regierung Zapatero steht unter dem Druck der eigenen Zielsetzung
Jean-Marie Dumont

Dreißig Jahre nach dem Ableben Francisco Francos erreichte die kritische Aufarbeitung des Franco-Regimes in Spanien im ausgehenden Jahr 2005 ihren Höhepunkt. Und dieser ist eng verknüpft mit der Übernahme der Regierungsmacht durch die Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero im März 2004. Dessen Regierung hat sich die Rehabilitierung der Franco-Opfer, die Aufklärung der Verbrechen gegen die Menschenrechte sowie die Entfernung von Franco-Symbolen aus öffentlichen Räumen auf die Fahne geschrieben.

Eines Nachts im März 2005 wurde die sieben Meter hohe Franco-Statue auf dem Madrider Plaza San Juan de la Cruz gegen den massiven Protest von Franco-Anhängern abgetragen. Doch nicht allein diese störten sich an der Bilderstürmerei. Auch bürgerliche Vertreter des oppositionellen Partido Popular des Ex-Ministerpräsidenten José María Aznar wandten sich gegen die Aktion. Mit der Eliminierung "historischer Symbole" würden nur "Wunden geöffnet", hieß es.

Doch die Einwände scheinen die Regierung Zapatero, die von Beginn an eben auch durch ihre antiklerikale Politik und ihre Gegnerschaft zu den traditionellen Werte des katholischen Spaniens hervortrat, wenig zu interessieren.

So wurde bereits im September 2004 eine "zwischenministerielle Kommission für das Studium der Lage der Opfer des Bürgerkrieges und des Franquismus" ins Leben gerufen. Sie arbeitet unter Leitung der Vizepräsidentin der sozialistischen Regierung, María Teresa Fernández de la Vega. Die Kommission setzt sich zum Ziel, den heutigen Zustand der Rechte und Entschädigungen der Spanier, die "zwischen den Anfängen des Bürgerkrieges und der vollständigen Wiederherstellung der Freiheiten" von "repressiven Maßnahmen" berührt wurden, auf ihre Umsetzung zu prüfen. Die Arbeit der Kommission soll dann letztendlich zu einem Gesetz führen, das die "vollständige moralische und rechtliche Rehabilitierung der betroffenen Personen" in die Wege leitet.

Dieses soll ist den radikaleren linken Abgeordneten zu wenig, und so klagen sie darüber, daß die Kommission zu langsam arbeite. Kein Gesetz sei vor dem 30. Todestag Francos am 20. November verabschiedet worden, hieß es. In diesem Kontext haben vor einigen Wochen die Parlamentsfraktionen der Grünen Linken (Izquierda Verde) und der Katalanischen Linken (ERC), die zu der sozialistischen Regierungsmehrheit gehören, einen eigenen Gesetzentwurf vorgestellt, in dem sich der Kampf um das nationale Gedächtnis unmißverständlich niederschlägt. Dieser Entwurf sieht unter anderem vor, die "Symbolik der Franco-Zeit" zu eliminieren - Statuen zu entfernen und Namen von Straßen oder Plätzen zu ändern.

Ein Hauptvorschlag, der vielen Spaniern als besonders provokant erscheint, betrifft das Denkmal "Valle de los Caídos" (Tal der Gefallenen) unweit der spanischen Hauptstadt und der berühmten Klosterresidenz San Lorenzo de El Escorial des spanischen Königs Philipp II.

Das Monument besteht aus einem 150 Meter hohen Betonkreuz, einem weitläufigen Platz, einem Benediktinerkloster - Abadía Benedictina de la Santa Cruz del Valle de los Caídos - und einer Kirche, die im Jahre 1960 vom Papst Johannes XXIII. zur Basilika erhoben wurde.

Es wurde nach dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) als Versöhnungszeichen und nationaler Wallfahrtsort geplant und aufgebaut. Etwa 40.000 Kämpfer beider Lager (etwa je zur Hälfte Republikaner und Monarchisten) ruhen auf Francos Befehl unter dem symbolreichen Zeichen eines einzigen Kreuzes. Als der Caudillo Franco dann im Jahre 1975 starb, wurde sein Leichnam auf Befehl des spanischen Königs Juan Carlos neben diesen Gefallenen begraben. Seitdem gehört das Valle de los Caídos zum spanischen Nationalerbe und ist eines der meistbesuchten Denkmäler Spaniens.

Die Gebeine des Staatschefs sollen umgebettet werden

Nun sehen linke Verbände und Parteien die Zeit reif, diesen Ort in ein Dokumentationszentrum der "franquistischen Diktatur" umzuwandeln. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen die Informationen, die bisher im Rahmen der Denkmal-Besichtigung vorgestellt werden, geändert werden. Die Art und Weise, wie das Valle vor 50 Jahren errichtet wurde, müsse deutlicher hervorgehoben werden - Tausende von politischen Gefangenen seien zu diesem Ziel herangezogen worden.

Schlußendlich soll das Valle de los Caídos zum "demokratischen" Denkmal und Symbol des "Kampfes gegen die Diktatur" umgewidmet werden sowie die sterblichen Überreste Franco umgebettet werden, da der "Vertreter einer Diktatur" nicht Teil der Geschichte einer Demokratie sein dürfe.

Ungewollt stehen Spaniens Premier Zapatero und seine Minderheitsregierung nun aus den eigenen Reihen unter Druck. Die Frage ist, ob er die "zwischenministerielle Kommission für das Studium der Lage der Opfer des Bürgerkrieges und des Franquismus" zu einer schnellen Entscheidungsfindung drängt. Oder läßt er es auf einen Zwist in den eigenen Reihen ankommen?

Fest steht, Zapatero steht unter starkem innenpolitischen Druck. Vor allem macht ihm die wachsende Oppositionsbewegung (JF 47 und 48/05) zu schaffen, die mit Massenaufmärschen gegen die Reformen im Bildungsbereich, bei der Homo-Ehe, auf der Ebene der Familienpolitik und gegen eine Reform des katalanischen Autonomiestatuts aufbegehrt, die die Einheit Spaniens gefährden könnte. Um Zugeständnisse wird der Premier wohl nicht herumkommen. Zu diesen Kompromissen könnte der Erhalt des Valle de los Caídos in seinem heutigen Zustand zählen.

Foto: Denkmal "Valle de los Caídos": Mahnmal aus Franco-Zeiten oder Gedenkplatz für die Opfer des Franquismus


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