© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Soviel Mißtrauen war nie
CSU: Die Partei will mit einer programmatischen Rückbesinnung ihre Krise überwinden
Paul Rosen

Die CSU ist nicht nur der kleinste Partner in der Großen Koalition in Berlin, sie ist auch in einer sehr schwierigen Lage. Ihr Vorsitzender Edmund Stoiber stürzte die Partei mit seiner Unentschlossenheit und schließlich dem hastigen Rückzieher aus dem Kabinett in eine verzweifelte Lage. Viele sind des erfolgreichen Parteichefs und Ministerpräsidenten überdrüssig. In Meinungsumfragen wird Stoiber soviel Mißtrauen wie nie zuteil. Auch die CSU selbst würde in Bayern, wenn dort jetzt Wahlen wären, vielleicht noch 45 Prozent bekommen. Die Zeiten satter absoluter Mehrheiten scheinen zunächst vorbei zu sein. Eine programmatische Rückbesinnung soll die Wende bringen: Generalsekretär Markus Söder kündigte an, stärker auf Patriotismus zu setzen.

Die Gründe für den Absturz bei der Bundestagswahl sind für die CSU-Strategen klar. Viele Wähler wanderten zur FDP ab, weil sie mit der Kanzlerkandidatin Angela Merkel nicht einverstanden waren. Beide, CDU/CSU und FDP, hatten sich auf eine Koalition festgelegt. Unionswählern schien der Wechsel zur FDP daher ohne Risiko.

Als erste Konsequenz schließt Söder Koalitionsaussagen für die Zukunft aus. Nur gegen Merkel kann die CSU nicht mehr Front machen. Die Pastorentochter hat den Gipfel der Karriere erreicht und regiert im Berliner Kanzleramt. Die CSU-Führung, die mit Merkel nach wie vor unzufrieden ist, muß abwarten, bis in der CDU eine Führungsdiskussion ausbricht.

Rückbesinnung auf längst vergessene Strategien

Aber bis dahin muß sich die bayerische Partei neu aufstellen und vor allem stärker von der Merkel-CDU und auch dem Berliner Koalitionspartner SPD absetzen. Das geht für Söder nur mit einer klassischen, aber bei den Bürgerlichen weitgehend in Vergessenheit geratenen Strategie. Statt nur harte wirtschaftspolitische Themen, Steuererhöhungen und Leistungskürzungen als Weg in eine erfolgreiche Zukunft zu präsentieren, will Söder mehr auf die emotionale Karte setzen.

Wahlen werden, so seine Erkenntnis, nicht mit nüchternen Zahlen, sondern über das Herz gewonnen. Die Parteibasis dürfte keine Probleme damit haben, stärker auf die nationale Karte zu setzen.

Heimat- und Vaterlandsliebe haben in Bayern bis heute einen größeren Stellenwert als im Rest der Republik. Damit kann sich die CSU auch gut von ihren Berliner Koalitionspartnern absetzen, denen nationale Töne fremd sind. Die CDU hat ihren nationalen Flügel verloren, die SPD läßt schon seit Kurt Schumacher jedes Nationalgefühl vermissen.

Ein weiterer Punkt kommt hinzu. In der CSU-Führung wird befürchtet, daß durch Kürzungsmaßnahmen und Steuererhöhungen der Berliner Koalition kein Wirtschaftsaufschwung zustande kommt. In der Folge könnten rechte Parteien oder vielleicht eine neue politische Bewegung erheblichen Zulauf erleben. In der CSU-Zentrale hat man nicht vergessen, welche Erfolge Franz Schönhuber mit den Republikanern zeitweilig in Bayern feierte. Einer Wiederholung rechter Erfolge soll vorgebeugt werden, indem die CSU die Positionen der potentiellen Konkurrenz gleich selbst besetzt.


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