© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Zeitschriftenkritik: Abenteuer Philosophie
Die Zeit läuft nicht, sie ist
Werner Olles

"Zukunft - Zwischen Sehnsucht und Angst" lautet das Titelthema der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Abenteuer Philosophie. Das von Filosofica, dem Verein zur Förderung und Verbreitung klassisch-philosophischen Wissens, Kultur und Kunst herausgegebene "Magazin für Kultur, Gesellschaft, Wissenschaft und Mythologie" wendet sich ausdrücklich an "zukunftsorientierte, engagierte und innerlich junge Menschen". Man will Anregungen zu Handlungen für eine "menschlichere Welt" bieten, das Verständnis für verschiedene Kulturen wecken, eine "mutige Konfrontation mit den Missständen (!) unserer heutigen Konsumgesellschaft" fördern und die Leser anregen, "engagiert an der Lösung aktueller Probleme mitzuarbeiten". Zu diesen Mißständen und aktuellen Problemen gehört aber doch wohl auch die "neue Rechtschreibung"!

Die verschiedenen Texte des Heftes sind leicht lesbar und gefällig bebildert. So beschreibt ein Artikel über die wandernden Sänger-Poeten Indiens sehr anschaulich und beeindruckend die Kultur und das Wertesystem der vom islamischen Sufismus, hinduistischen Bhakti und buddhistischen Sahajayana beeinflußten mystischen "Bauls" (göttliche Narren). Hier wird in der Tat eine spirituelle Atmosphäre spürbar, der man sich auch als Leser nur schwer entziehen kann.

Helmut Müller sieht in seinem Aufsatz über "200 Jahre nach Schiller", dem man aus unerfindlichen Gründen einen englischen Titel gegeben hat ("Idealize your Life"), den Dichter und Meister der Kunst des philosophischen Gesprächs als kämpferischen und enthusiastischen "Don Quijote", der unserer entzauberten, materialistischen und nüchternen Zeit die "Kraft der Ideale" entgegengehalten hätte.

Über die zwei Gesichter unserer Zeit - "Chronos und Kairos" - schreibt Chefredakteur Hannes Weinelt. So sei die Vergangenheit als der bereits zurückgelegte Weg, die Zukunft als der noch vor uns liegende und die Gegenwart als der aktuelle Aufenthalt zu verstehen. In diesem Sinne könne die Zeit als Ruhe, als Sein und ruhiges Dahingleiten im Zug erlebt werden. Je weiter man jedoch von seinem Weg abweiche, um so schneller laufe einem auf der Jagd nach schrillen Vergnügungen und dem vermeintlichen Leben die Zeit davon. Je mehr und je schneller wir jagten, um so schneller vergehe die Zeit. Tatsächlich laufe jedoch nicht die Zeit davon, "denn die Zeit ist", sondern wir selbst sind es, die davonlaufen. Erst wenn wir uns wieder auf unseren Weg begeben, wird die Zeit wieder zur Ewigkeit und das Leben zu einer Suche nach innen anstatt zu einer Jagd nach Äußerlichkeiten. Mit der chronischen Suche nach einem Ausweg im Außen über Drogen, Alkohol, Sex und ähnliche Surrogate delegieren wir jedoch die Lösung an eine "äußerliche Macht", von der wir schließlich abhängig werden.

Ein Porträt des Tiefenpsychologen Viktor Frankl, der in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden wäre, ein Text über den Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung und ein Essay über "100 Jahre Relativitätstheorie" vervollständigen das abwechslungsreiche Heft.

Anschrift: Glacisstr. 53/II, A-8010 Graz. Der Einzelpreis beträgt 5 Euro, das Jahresabonnement kostet 20 Euro. Internet: www.abenteuer-philosophie.com


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