© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

Der Resignation folgt die Neugier
Konservative Revolution in Deutschland I: Karlheinz Weißmann hat das Standardwerk von Armin Mohler fortgeschrieben / Ein Auszug
(JF)

Wenn nach 1945 keine Fortsetzung der Konservativen Revolution möglich war, dann ist das ganz wesentlich aus der Art der Niederlage Deutschlands zu erklären. Auch der Zweite Weltkrieg war ein "Verfassungskrieg", und die neuen Ordnungen, die in den Reststaaten installiert wurden, hatten Vorgaben zu folgen, die nicht nur ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus verhindern sollten, sondern auch jede Anknüpfung an die spezifisch deutsche Tradition des politischen Denkens erschwerten.

Zwar gab es in der Bundesrepublik durchaus aktive Politiker, die noch durch die Ideen der Konservativen Revolution geprägt worden waren (Eugen Gerstenmaier, Hermann Ehlers, Jakob Kaiser), und übten Denker wie Ernst Jünger, Martin Heidegger und Gottfried Benn erheblichen geistigen Einfluß aus, die in gewissem Sinn diese Überlieferung fortsetzten. Auch gab es unterirdische Wirkungen, aber intellektuelle Sammlungsversuche blieben ohne Resonanz. Die Erschütterung durch den Zusammenbruch war eben nicht nur eine politische und materielle, sondern auch eine geistige gewesen.

Eine Reihe der Protagonisten brach auf spektakuläre Weise mit den alten Überzeugungen. Das bekannteste Beispiel dürfte Ernst Niekisch gewesen sein, der schwer versehrt aus dem Zuchthaus befreit worden war und dann nach Ostberlin ging, um sich der SED zur Verfügung zu stellen. Weniger bekannt ist der Fall Günther Gereke, Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung im Kabinett Schleicher, von den Nationalsozialisten abgesetzt und verurteilt, im Zusammenhang mit dem Attentat von 1944 erneut inhaftiert, nach Kriegsende Mitbegründer der CDU, in verschiedenen Funktionen der niedersächsischen Landesregierung, dann von seiner Partei wegen Ostkontakten ausgeschlossen und 1952 in die DDR übergesiedelt.

Unauffälliger als solche spektakulären Einzelfälle war die Resignation der vielen und dann jener Prozeß, in dem die westernization zum Verschwinden brachte, was einmal die "Psychologie des deutschen Staatsgedankens" ausgemacht hatte. Die Alliierten führten ihren Krieg ausdrücklich nicht nur gegen Hitler und die NS-Ideologie, sondern auch gegen alles, was sie als Bestandteil des Preußentums, des Irrationalismus, des Autoritarismus betrachteten. Kein Schlüsselbegriff der Konservativen Revolution - Bund, Stand, Volk, Reich - blieb unverdächtig. Was sich da oder dort erhalten konnte oder bei der Wiederbelebung der Jugendorganisationen neu entstand, geriet mit dem großen kulturellen Umbruch der sechziger Jahre in die Krise. Die nachhaltige Verschiebung des politischen Koordinatensystems nach links führte seitdem dazu, daß alle Weltanschauungen der politischen Rechten grundsätzlich unter Faschismusverdacht gestellt wurden. Die Anhänger der Konservativen Revolution gelten im offiziellen Sprachgebrauch fast nur noch als "Wegbereiter" oder "Vorläufer" der Nationalsozialisten.

Allerdings hat dieser wie jeder Prozeß der Verfemung unerwünschte Reaktionen ausgelöst. Bei denjenigen, die sich grundsätzlich für das Tabuierte interessieren ebenso wie bei jener Minderheit, die außerhalb des Etablierten nach einer denkbaren rechten Position sucht. Gerade die Leitfiguren der Konservativen Revolution, insbesondere Carl Schmitt und Ernst Jünger, haben außergewöhnliche intellektuelle Neugier geweckt, die Flut von Literatur, die über sie und weniger bekannte Autoren der Konservativen Revolution veröffentlicht wurde, ist unübersehbar. Daneben kann man aber auch feststellen, daß in der jungen Generation Versuche unternommen wurden, einzelne Konzepte der Konservativen Revolution den gewandelten Umständen anzupassen und wiederzubeleben. Die verschiedenen Ansätze für eine "Neue Rechte", die seit den nationatrevolutionären Anfängen der siebziger Jahre entstanden, haben gemeinsam, daß sie die Konservative Revolution als wichtigen Ausgangspunkt betrachten.

Zu den Gründen für diese bleibende Faszination gehört die Skepsis gegenüber den Erfolgsaussichten des liberalen Gesellschaftsmodells. Dessen Funktionstüchtigkeit erschien in der Nachkriegszeit allerdings niemals wirklich in Frage gestellt, und der Zusammenbruch des Ostblocks konnte sogar die Vorstellung begründen, es stehe der "Endsieg des Westens" oder das "Ende der Geschichte" bevor, womit sich jede politische Alternative erledigt habe. Dieser Optimismus hat mittlerweile Schaden genommen, und es deutet sich eine Neuorientierung an, die nicht ohne Auswirkung auf das Gebiet der Weltanschauungen bleiben kann.

Was die gegenwärtige Lage derjenigen am Ausgangspunkt der Konservativen Revolution ähnlich macht, ist die Auflösung der gewohnten ideologischen Zuordnungen. Von links wie von rechts wird die Berechtigung dieser Kategorien in Frage gestellt. Damit setzt die Diskussion um die großen politischen Probleme wieder ein, zu denen von alters her das Verhältnis von Bewahrung, und Veränderung gehört. Es "... steht und fällt konservativ-revolutionäre Haltung mit dem Vermögen oder Unvermögen, das überzeitlich Gültige und das, was vorübergleitende Form des Tages ist und ständiger Veränderung unterliegt, scharf zu scheiden".

Armin Mohler legte stets Wert darauf, daß er mit seinem Standardwerk "Die Konservative Revolution 1918-1932" nicht allein Erkenntnis und Verständnis eines historischen Phänomens fördern wollte. Vielmehr handelte es sich auch um dem "Versuch, der intellektuellen Rechten ein Bewußtsein ihres reichen Geisteserbes zu vermitteln". So notierte es der gebürtige Schweizer in seinem knappen Vorwort zur fünften Auflage, die 1999 im Leopold Stocker Verlag in Graz erschien. Zehn Jahre zuvor hatte er seine bereits aus dem Jahre 1949 stammende Arbeit - für die dritte Auflage - letztmalig erweitert und aktualisiert. Am 4. Juli 2003 starb Armin Mohler im Alter von 83 Jahren. Den Nachruf auf ihn in dieser Zeitung verfaßte der Historiker Karlheinz Weißmann (JF 29/03).

Kürzlich nun ist in dem zum Stocker-Verlag gehörenden Ares Verlag die von Weißmann fortgeschriebene, völlig überarbeitete, erweiterte und erstmals mit einem umfangreichen Bildteil ausgestattete sechste Auflage der "Konservativen Revolution" erschienen. Aus diesem Anlaß haben wir mit ihm ein Interview zu seiner Arbeit an dem biobibliographischen Handbuch geführt (siehe unten). Außerdem dokumentieren wir hier mit freundlicher Genehmigung den Abschnitt A 6.7 über die Nachgeschichte der Konservativen Revolution.

Fotos: "Widerstand", "Standarte" und "Der Vormarsch" - Zeitschriften der Konservativen Revolution 

Armin Mohler/Karlheinz Weißmann: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch. 6., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Ares Verlag, Graz 2005, gebunden, 664 Seiten, Abb., 49,80 Euro

Eine ausführliche Besprechung des Buches in der JUNGEN FREIHEIT lesen Sie im Januar.


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