© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/05 01/06 23./30. Dezember 2005

"Ich mußte mir ein paar unangenehme Wahrheiten anhören"
Konservative Revolution in Deutschland II: Ein Gespräch mit dem Göttinger Historiker Karlheinz Weißmann über seine Arbeit an dem Handbuch Mohlers
Thorsten Thaler

Herr Dr. Weißmann, Sie haben das Standardwerk "Die Konservative Revolution" von Armin Mohler fortgeschrieben. Mit welcher Absicht und welcher Motivation sind Sie an diese Mammutaufgabe herangegangen?

Weißmann: Die Hauptabsicht war, die "Konservative Revolution" in ihrer doppelten Funktion zu erhalten: als wissenschaftliches Handbuch und als "Hilfestellung für die rechte Intelligenz", wie Mohler selbst einmal gesagt hat.

Sie mußten eine fast unüberschaubare Fülle von Literatur sichten. Wie hat man sich die konkrete, ganz praktische Arbeit vorzustellen?

Weißmann: Als stundenlanges Verharren in Lesesälen und am häuslichen Schreibtisch. Mohler hat mir eine Menge unsortiertes Material hinterlassen, außerdem waren alle möglichen Bestände zu sichten, die ich selbst im Lauf der Jahre gesammelt haben. Immerhin gibt es heute eine gewisse Erleichterung durch die umfangreichen Recherchemöglichkeiten im Netz, die Mohler nicht zur Verfügung standen.

Sie haben die ursprüngliche von Mohler erdachte Struktur des Buches zumindest im ersten Teil doch ziemlich großzügig aufgegeben und mit etwa 180 eigenen Textseiten fast schon ein eigenständiges Buch im Buch geschrieben. Was hat Sie dazu bewogen?

Weißmann: Nachdem die Wissenschaftliche Buchgesellschaft nicht mehr bereit war, die KR zu drucken, habe ich im Auftrag von Mohler einen neuen Verlag gesucht, was unter den gegebenen Umständen nicht ganz einfach war. Dabei spielte auch eine Rolle, daß Mohlers Darstellung, wie er sagte, "selbst historisch" geworden war. Es handelt sich ja um eine Arbeit, die in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre entstanden und ganz vom Geist des Existentialismus durchweht war. Mohlers Weigerung, den Text zu verändern, hatte ihren Charme, aber er wußte natürlich, daß die - von ihm wesentlich angeregte - Forschung nicht stehenbleiben konnte. Das hat er bei der von Louis Dupeux 1981 angeregten Konferenz über die KR ausdrücklich gesagt und faktisch durch den Ergänzungsband der Ausgabe von 1989 anerkannt. Vor allem die Arbeiten von Zeev Sternhell haben Mohler nachhaltig beeindruckt und seine eigene Perspektive verändert. Angesichts dieser Lage gab es nur drei Möglichkeiten: Mohlers KR weiter als Reprint erscheinen lassen bei abnehmender Relevanz oder eine aktualisierte Bibliographie mit dem alten Text kombinieren oder einen Mohler verpflichteten Neuansatz. Nach einigem Hin und Her fiel die Entscheidung zu Gunsten der dritten Option.

Was meinen Sie mit "Hin und Her"?

Weißmann: Nun, wie Sie sich vorstellen können, wurde Mohler der Abschied von seinem "Kind" nicht leicht, und ich selbst habe immer ein gewisses Unbehagen verspürt, weil mir klar war, daß die KR längst zu einem Mythos geworden war, den ich nicht beschädigen wollte. Aber bei Abwägung des Für und Wider, glaube ich, wurde die beste Entscheidung getroffen. Im übrigen mußte neben der Veränderung des Forschungsstandes auch noch zwei anderen Aspekten Rechnung getragen werden: der veränderten Zeitsituation, in der viel von dem Hintergrundwissen, das Mohler 1950 selbstverständlich voraussetzen durfte, einfach nicht mehr gegeben ist, und dann, daß es darum ging, eine Kernaussage Mohlers im Hinblick auf die fünf Denkfamilien der KR gegen konkurrierende Muster - vor allem das Stefan Breuers - zu verteidigen und neu zu begründen.

Ist es im Zeitalter elektronischer Speichermedien nicht ein Anachronismus, überhaupt noch derartig aufwendige biobibliograhische Nachschlagewerke herzustellen?

Weißmann: Gegen Anachronismen habe ich im Prinzip gar nichts. Den Verlag hat wohl vor allem das Problem der Kopierbarkeit bewogen, sich gegen ein elektronisches Speichermedium zu entscheiden.

Wie kam es überhaupt dazu, daß Armin Mohler Sie mit der Fortführung seines Lebenswerkes betraut hat?

Weißmann: Wir kannten uns seit dem Beginn der achtziger Jahre, und im Lauf der Zeit hat sich - trotz gewisser Schwankungen - ein Vertrauensverhältnis ausgebildet, obwohl wir in manchen grundlegenden Fragen nicht einer Meinung waren und zum Teil ganz verschiedene Interessenfelder hatten. Von meiner Seite spielte eine große Rolle, daß Mohler mir als jungem Mann einmal ganz gründlich den Kopf gewaschen hat, als ich plante meine Dissertation hinzuwerfen. Da sind wir zwei Stunden an der Isar entlanggelaufen, und ich mußte mir ein paar unangenehme Wahrheiten anhören. Auf seiner Seite war wohl ausschlaggebend, daß seine sonstigen "Schüler" - also vor allem Uwe Sauermann mit seiner großartigen Arbeit über Ernst Niekisch und dann Heinrich Meier, der ihm in der Leitung der Siemens-Stiftung nachgefolgt ist - nicht zur Verfügung standen.

Welche Bedeutung hat heute noch die Beschäftigung mit dem Phänomen der Konservativen Revolution?

Weißmann: Arnold Gehlen hat einmal bemerkt, die KR sei geistiger Ausdruck eines Volkes gewesen, das noch an sich selbst glaubte. In diesem Sinn ist sie jedenfalls aktuell für alle, die den Deutschen solchen Glauben neuerlich einzuflößen trachten.

 

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