© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/06 06. Januar 2006

In Schlammgewittern
Analyse: Warum rechte Parlamentsfraktionen zur Implosion neigen / Anfeindungen und Schuldenfalle / Fehlende Integrationsfiguren
Kurt Zach

Daß rechte Parlamentsfraktionen nach spektakulären Wahlerfolgen unter unwürdigen Begleitumständen untergehen, scheint in der bundesrepublikanischen Parteiengeschichte eher die Regel denn die Ausnahme zu sein. Schon die ersten NPD-Landtagsfrak­tionen der späten Sechziger und frühen Siebziger pflegten sich bis zur Politikunfähigkeit zu zerstreiten, so daß manche am Ende nicht einmal mehr zur Wiederwahl antreten konnten. Auch das peinliche Spektakel um die DVU-Fraktionen in Schleswig-Holstein (1992 bis 1996) und Sachsen-Anhalt (1998 bis 2002), die sich spalteten, fragmentierten, umbenannten und bekriegten, ist noch gut in Erinnerung.

Die aus inkompatiblen Egomanen zusammengesetzte Straßburger Europafraktion der Republikaner (1989 bis 1994) flog vorzeitig auseinander; auch die Berliner Abgeordnetenhaus-Fraktion derselben Partei (1989/1990) machte gegen Ende nur noch durch Skandale von sich reden. Einzig die vom derzeitigen Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer geführte Fraktion der Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg hielt zwei Legislaturperioden (1992 bis 2001) ohne Brüche und Abspaltungen und endete durch eine "gewöhnliche" Wahlniederlage. Als zweite Ausnahme präsentiert sich die bereits zum zweiten Mal im Potsdamer Landtag vertretene DVU-Fraktion.

Die Serie spektakulärer Fehlschläge wirft die Frage nach den Ursachen auf. Nicht immer ist die Mitwirkung des Verfassungsschutzes so manifest und eingestanden wie im Falle der Sachsen-NPD, die mit Sicherheit nicht dazu beitragen wird, die Mutterpartei vom Verdacht zu reinigen, in wesentlichen Zügen ein Geschöpf der Geheimdienste zu sein. Äußere und interne Gründe spielen mit, wenn Rechte im Parlament scheitern.

Zu den inneren Ursachen gehört häufig das Personal. In Wechselwirkung mit der zunehmenden gesellschaftlichen Ächtung und Ausgrenzung rechter Parteien und ihrer Anhänger sammeln sich unter ihren Fahnen einerseits verfolgungsresistente Querulanten, Egomanen und Desperados bis hin zu sich nationalrevolutionär gerierenden NPD-Kadern, andererseits einfache Menschen aus dem Volk in einer Häufung, wie sie in den etablierten Parteien kaum eine Aufstiegschance hätten.

Unter dem Eindruck der plötzlichen Teilhabe an großzügigen Einkünften und Finanzierungsmöglichkeiten gehen dabei manchen Abgeordneten leicht die Maßstäbe verloren. Großmannssucht, Erfolgstrunkenheit, Ausgabenrausch und Allmachtsphantasien führen zum raschen Kater, wenn Fiskus und Rechnungshöfe die Finanzen von Abgeordneten und Fraktionen genauer unter die Lupe nehmen. Mancher rechte Politiker gerät im Irrglauben, reich zu sein, unversehens in die Schuldenfalle und wird zum leichten Opfer für An- beziehungsweise Abwerbungsversuche. Schon Adenauer pflegte störende rechte Konkurrenz einfach aufzukaufen.

Ätzende Attacken einer Einheitsmauer

Selbst gestandene Leute, die sich ihre Position im Leben hart erkämpft und erarbeitet haben, sind den Winkelzügen und Fallen des Parlamentsbetriebes oft nicht gewachsen. Wer jemals einen biederen Handwerksmeister den Tränen nahe aus einer Ausschußsitzung kommen sah, in der er wieder einmal von mit allen Wassern der Diskussionskunst gewaschenen grünen Akademikern vorgeführt worden war, weiß, was gemeint ist.

Nicht jeder hat den Mut und den Durchhaltewillen, sich wieder und wieder den ätzenden Attacken einer Einheitsmauer von Gegnern zu stellen und mühsam zu erlernen, was die anderen spielerisch in Seminardiskurs, Unionsklüngel oder Juso-Debattierclub mitbekommen haben. Mancher zieht es vor, in den Magdeburger Zapfhahn, in den Freizeitpark oder in fiktive Autobahnstaus zu flüchten und sich vor der parlamentarischen Kleinarbeit zu drücken. Der Keim zu Streit und Zwietracht in den eigenen Reihen ist damit gelegt.

Eine verschworene Gemeinschaft von Wahlkämpfern kann dem geballten Druck und der koordinierten Ächtung und Ausgrenzung durch den politischen Gegner, Medien und gesellschaftliche Einflußgruppen mit harter Basisarbeit und trotziger Kameraderie standhalten. Im parlamentarischen Alltag ist das nicht so einfach. In Ausschüssen und Diskussionsrunden steht der Abgeordnete oftmals allein gegen alle. Der Fluchtweg in die Wagenburg der Gleichgesinnten ist versperrt.

Nur Desperados, die mit jeder bürgerlichen Existenz abgeschlossen haben, mögen es auf die Dauer genießen, von Haß und Feindseligkeit umringt zu sein. Wer aus einem respektierten Lebenszusammenhang in die Politik geht, will auch dort auf Dauer Anerkennung finden. Der Weg zur Respektierung durch ein voreingenommenes, feindlich gesinntes Umfeld führt über Standhaftigkeit und Sachkompetenz. Wer sich diese nicht erarbeitet und auch nicht "einkauft", indem er mit den Fraktionsmitteln kompetente Berater anwirbt, statt verdiente Parteifreunde und Nahestehende zu "belohnen", gibt sich rasch der Lächerlichkeit preis.

Fehlt dann noch eine Integrationsfigur an der Spitze, hinter der sich die von vielen Seiten Angegriffenen scharen können, werden Druck und Anfeindung von außen schnell zum Sprengsatz nach innen: Die Aggression, die nicht pariert werden kann, richtet sich gegen die eigenen Mitstreiter, der Distanzierungsdruck wächst, jeder ist sich selbst der nächste, die Gemeinschaft zerfällt. Ist die Schlammschlacht erst ausgebrochen, brauchen sich die Gegner in Medien und Konkurrenzparteien um die Munition nicht mehr zu sorgen. Den Rest besorgen die Aufkäufer.


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